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Drei Buchstaben - eine SPD? Die überdimensionalen Zeichen standen am Eingang vom SPD Debattencamp im Nalepa-Funkhaus in Berlin.

© Emmanuele Contini/Imago

Krise der Sozialdemokraten: SPD-Lokalpolitiker sind sauer auf die Parteiführung

Bei Bürgermeistern aus der SPD wächst der Unmut über die Parteispitze, die Mega-Debatten am Bürger vorbei führe. Am Freitag treffen sich die "Kommunalos".

Es ist so etwas wie eine Versammlung der Kümmerer und Macher in der SPD. An diesem Freitag kommen im Fraktionssaal der Sozialdemokraten im Bundestag rund 150 sozialdemokratische Lokalpolitiker aus dem ganzen Land zusammen. Eingeladen hat sie der Abgeordnete Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Da kann es sicherlich nicht nur fröhlich zugehen“, sagt er über das Treffen. „Das muss es aber auch nicht.“ Kommunalpolitiker, so sagt Daldrup, seien nun mal dafür bekannt, Klartext zu reden. Und Klartext, das bedeutet in diesem Fall voraussichtlich auch Kritik an der SPD-Spitze um Parteichefin Andrea Nahles, die als Rednerin geladen ist.

Nahles muss den „Kommunalen“, wie sich die SPD-Lokalpolitiker nennen, einiges erklären. Denn viele der Bürgermeister und Landräte sind sauer auf die Führung. Abgehoben sei das Personal im Willy-Brandt-Haus, lautet oftmals ihr Vorwurf. Vom „Raumschiff Berlin“ spricht zum Beispiel Olaf Schade, Landrat im nordrhein-westfälischen Ennepe-Ruhr-Kreis. „Viele von der Bundes-Spitze täten gut daran, öfter mal vor Ort zu sein“, sagt er. Anstatt sich um die Sorgen und Nöte der Bürger zu kümmern, verliere sich der SPD-Vorstand in ideologischen „Mega-Debatten“.

In Städten und Gemeinden ist die SPD noch stark vertreten

Dass die SPD-Spitze heiklen, aber wichtigen Themen aus dem Weg gehe – diese Kritik teilen viele sozialdemokratische Kommunalpolitiker. Genau das ist ihrer Meinung nach auch der Grund für die Misere der Bundes-SPD, die in den Umfragen auf Werte unter 15 Prozent abgesackt ist. In vielen Städten und Gemeinden sind die Genossen dagegen noch immer stark vertreten. In sieben der zehn größten deutschen Städte stellen sie den Bürgermeister, erreichen bei Stadtratswahlen häufig mindestens ein Drittel der Stimmen. Deshalb sehen sich die SPD-Kommunalpolitiker im Recht mit ihrer Kritik an der Parteiführung – und wollen ihr am Freitag im Bundestag auch Tipps geben, wie man erfolgreich Politik macht.

Die Kritik der „Kommunalos“ zeigt einmal mehr die Zerrissenheit der SPD. Es gibt eine Kluft zwischen Basis und Führung, zwischen den meist konservativen Lokalpolitikern und den häufig eher links-liberalen Parteifunktionären, die zu überbrücken der Parteiführung immer schwerer fällt.

Zu oft geben Funktionäre den Ton an

Die Spaltung macht sich vor allem am Reizthema Migration fest. „Wir haben zur Migration als SPD keine klare Position“, sagt Frank Baranowski, der Oberbürgermeister von Gelsenkirchen. Er ist Vorsitzender der „Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik“ (SGK) und damit der Wortführer der SPD-Lokalpolitiker. Er will unbedingt über die Zuwanderung aus Südosteuropa in deutsche Städte diskutieren und Probleme offen ansprechen – „ohne ideologische Keule“, betont er. Aber die Funktionäre machten da nicht mit. „Beim Thema Zuwanderung stelle ich fest, dass das Problembewusstsein kleiner wird, je höher man in den Ebenen der Partei geht“, sagt Baranowski.

Der Gelsenkirchener OB hat Nahles zuletzt scharf kritisiert. Sie binde die Kommunalen zu wenig in die Parteireform ein, nehme die Ehrenamtlichen an der Basis nicht mit. Zu oft gäben Funktionäre den Ton an, nicht die Basis. Die von Nahles versprochene „Erneuerung“ drohe, eine „Worthülse“ zu bleiben.

"Schützende Hand über die Automobilindustrie"

Bei etlichen sozialdemokratischen Bürgermeistern scheint Nahles ihren Kredit als erste Frau an der Spitze der Partei inzwischen verspielt zu haben. Das Fürther Stadtoberhaupt Thomas Jung glaubt jedenfalls nicht mehr, dass die Vorsitzende noch für den nötigen Aufbruch sorgen kann, wie er am Donnerstag im Interview mit dem Tagesspiegel darlegte.

Auch bei seinem Amtskollegen Michael Ebeling, Oberbürgermeister in Mainz, macht sich beim Gedanken an die SPD-Spitze Ratlosigkeit breit. „Die Bundespolitik nehmen wir zum Teil nur noch mit Staunen oder Achselzucken wahr und denken uns: Das kann doch nicht wahr sein!“, schimpft Ebeling, der auch stellvertretender Bundes-Vorsitzender der SGK ist. In der Dieselaffäre hätten Parteiführung und Bundestagsfraktion der SPD „ihre schützende Hand über die deutsche Automobilindustrie“ gehalten. Das könne man den Wählern nur schwer erklären.

Wunsch nach mehr parteiinternen Kontroversen

Wofür steht die SPD, für wen kämpft sie? Auch der Kommunalexperte der SPD-Bundestagsfraktion Daldrup wünscht sich vom SPD-Vorstand klarere Botschaften. Die scharfe Kritik der Kommunalpolitiker will Daldrup aber nicht auf der Bundes-SPD sitzen lassen. Die versuche ihr Bestes, um in der Groko viel für Städte und Kreise herauszuholen, beteuert er. Zugleich erhofft er sich, dass die Parteiführung in Zukunft mehr parteiinterne Kontroversen zulassen wird, auch im Interesse der Kommunen.

Andrea Nahles dürfte die Kritik der „Kommunalos“ nicht kalt lassen. Die SPD-Vorsitzende weiß genau: Wenn die gebeutelte deutsche Sozialdemokratie auch noch ihre Verankerung in den Städten und Gemeinden verliert, kann sie nicht mehr auf die Beine kommen.

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