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Politik: Krise? Welche Krise?

Bis auf die Grünen wollen alle Parteien über die Zuwanderung weiterverhandeln – nur weiß niemand, wie

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

Von Robert Birnbaum

und Hans Monath

Die Lage ist verfahren wie selten. Man erkennt das schon daran, dass alle versichern: Nein, eine Krise sei das nicht. Auch wenn bisher niemand weiß, wie verhindert werden kann, dass der Streit zwischen SPD und Grünen um die Zuwanderung die Koalition ins Wanken bringt. „Ich glaube, dass man da noch was machen kann“, knurrt Franz Müntefering zwar am Dienstag vor dem SPD-Fraktionssaal, und dass man versuchen müsse, die Haltung der Union aufzubrechen, und dass er hoffe, dass sich die Grünen zu weiteren Gesprächen bereit finden würden. Aber wie sich das bewerkstelligen lassen soll – der SPD-Partei- und Fraktionschef weiß es selbst noch nicht. Zumal Müntefering kein Hehl aus seinem Unmut über den grünen Solo-Ausstieg aus der Verhandlungsrunde macht: Der kleine Partner habe gegen den „Komment“ verstoßen, dass die Koalition in solchen Streitfragen gemeinsam entscheide.

Davon sind SPD und Grüne in der Tat weit entfernt. „Völlig unvertretbar“, zürnt etwa Finanzminister Hans Eichel bei einer Podiumsdiskussion in Berlin, wäre eine Blockade des Zuwanderungsgesetzes. Bis Freitag, verlangt hingegen ungerührt Grünen-Parteichefin Angelika Beer, müsse die Union ihre neuen Forderungen zur inneren Sicherheit zurückziehen. Wenn nicht, müsse die Koalition eben alles regeln, was ohne Zustimmung des Bundesrates möglich sei (siehe Kasten). Ein Ultimatum, das die Spitzen von CDU und CSU, von Angela Merkel bis Edmund Stoiber, prompt zurückweisen – nicht ohne zu beteuern, sie würden gerne weiter verhandeln. Solchen Willen beteuern derzeit praktisch alle Unionspolitiker. Abnehmen kann man ihn nicht jedem. In der gescheiterten Runde am 1. Mai hatten die eigenen Truppen, voran der Fraktions-Innenpolitiker Hartmut Koschyk, ein letztes Angebot von Saar-Ministerpräsident Peter Müller zum weiteren Verfahren torpediert.

So stehen sich Grüne und SPD einerseits gegenüber, andererseits aber auch – quer durch die Parteien – solche, die die Hoffnung nicht aufgeben, und solche, die insgeheim ein Scheitern wünschen. Bloß wie die Gespräche noch einmal in Gang kommen könnten, wie eine Koalitionsrunde am Freitag verhindern könnte, dass das absehbare Nein des Grünen-Länderrats am Sonnabend das letzte Wort bleibt – darüber wurde am Dienstag zwar auf allen Ebenen geredet, aber eine Lösung kam nicht in Sicht. Eine Lösung obendrein – nur eines, aber nicht das kleinste der Probleme der Koalition –, die den erzürnten Innenminister Otto Schily nicht die Brocken hinwerfen lässt.

Nur was keine Lösung wäre, darüber herrscht halbwegs Einigkeit. Ein Spitzengespräch zwischen den Parteichefs, vom SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz angeregt – Müntefering winkt ab. Auch Müllers Lockangebot einer „Koalition der Vernunft“ aus SPD und Opposition verfängt nicht – das wäre, das wissen schließlich alle, dann wirklich das Ende der rot-grünen Koalition.

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