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Bundeskanzlerin Angela Merkel (l, CDU) und der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geben nach dem Spitzentreffen von CDU und CSU in der CSU-Parteizentrale eine Pressekonferenz.

© dpa

Krise zwischen CDU und CSU: Merkel und Seehofer bieten ein gefährliches Polit-Theater

Die Kanzlerin und ihr Innenminister setzen politische Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Es geht um eine Entscheidungsschlacht zweier Erzfreunde. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Der Satz ist so wahr wie falsch zugleich. Es geht auch um unsere Glaubwürdigkeit. Das sagen vor allem Christsoziale in diesen Stunden immer wieder. Und das stimmt. Die Glaubwürdigkeit ist massiv gefährdet in diesem erbitterten Spiel - nur nicht nur die der CSU, sondern die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. Denn das, was hier von allen Seiten geboten wird, ist kein Streit auf der Suche nach der richtigen Lösung einer Sachfrage. Es ist auch keine emotionale Debatte um ein Identitätsthema. Es ist (fast) nur noch ein Politiker-Theater, in dem es um persönliche Eitelkeiten und Winkelzüge geht. Und wer trägt die Schuld? Die CSU? Natürlich? Die Kanzlerin? Auf jeden Fall? Die Regierung? Na klar? Die Opposition? Gleich mit.

Die CSU: Sie hat versucht, die Kanzlerin in die Ecke zu treiben mit Ultimaten und Druck auf die eigene Regierung. Es gibt Gipfel-Beschlüsse, die sicher nicht 1:1 die CSU-Position widerspiegeln, aber von denen selbst der bayerische Ministerpräsident sagt, sie gingen in die richtige Richtung. Andere CSU-Politiker wie der Europapolitiker Manfred Weber behaupten sogar, die CSU habe "Europa gerockt". Und dann kommt der CSU-Chef und fegt alles wieder weg. Das Duell Angela Merkel gegen Horst Seehofer geht in die nächste Runde.
Nicht wirkungsgleich seien die Gipfel-Beschlüsse. Das Gespräch mit Merkel gleich ganz wirkungslos, soll Seehofer gesagt haben. Am Ende steht nicht etwa der konsequente Rücktritt aus Überzeugung, sondern ein taktisches Manöver. Ein Mann bietet seinen Rücktritt an, damit die Parteiführung ihn bettelt weiterzumachen, um so seine Macht zu stärken. Eine Lesart. Oder er will wirklich zurücktreten, kann sich aber selbst im persönlichsten Moment einer politischen Karriere nicht gegen seine Parteifreunde durchsetzen.

Merkel muss das Schicksal einer Schicksalsgemeinschaft auch annehmen

Aber egal wie, die CSU hat das Thema derart hochgejazzt, dass harmonische Töne kaum mehr möglich sind. Missklang, Missstimmung sind am Ende das Ergebnis, selbst wenn es noch einen wie auch immer gearteten Kompromiss am Abend geben sollte.
Auf der anderen Seite die Kanzlerin. Spricht von Abkommen, die erstmal nur politische Absichtserklärungen sind. Sie redet mit Seehofer, einen gesichtswahrenden Ausweg kann sie ihm bisher nicht anbieten. Vielleicht will sie es auch gar nicht mehr. Dabei weiß sie, wie Seehofer, wie ihre Schwesterpartei CSU, tickt. Und wer bei der Union, wie Merkel, von einer Schicksalsgemeinschaft spricht, muss das Schicksal auch akzeptieren und auf die Schwester ernsthaft und glaubwürdig zugehen. Das ist zumindest nach außen nicht erkennbar.

Die SPD? Sie ist von der Angst vor Neuwahlen geleitet und der großen Sorge, dann noch weiter in der Wählergunst abzuschmieren.
Die Opposition? Ruft in Gestalt der Grünen „Wir sind bereit zum Regieren“. Das kann man verantwortlich nennen in Stunden der politischen Krise. Oder einfach anbiedernd. Vor allem dann, wenn der Eindruck entsteht, dass inhaltliche Fragen erstmal gar keine Rolle spielen.

Am Ende steht die Frage: Was wollen die handelnden Akteure eigentlich? Wirklich den Rechtsstaat wieder handlungsfähig machen? Wirklich eine humane Flüchtlingspolitik bewahren? Wirklich Europa zusammenhalten? Wirklich eine Lösung finden, die von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird? An allem gibt es Zweifel. Es geht wohl nur um eine Entscheidungsschlacht im Duell zweier politischer Erzfreunde.

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