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Familienministerin Kristina Schröder.

© dpa

Kristina Schröder: Die Familienministerin, der Islam und die Gewalt

Kristina Schröder hält junge Muslime für besonders anfällig für Gewaltbereitschaft. Konkrete Zahlen bleibt sie aber schuldig.

Von Hans Monath

Berlin - Mit solchen Sätzen treten Menschen auf, die der Wahrheit endlich zum Durchbruch verhelfen wollen. „Wir dürfen keine falschen Tabus aufbauen“, warnte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder noch am Donnerstag. Es gebe „eine gewaltverherrlichende Machokultur bei einigen jungen Muslimen, die auch kulturelle Wurzeln hat“. Im Interview mit ihrer Heimatzeitung „Wiesbadener Kurier“ ließ sie keinen Zweifel daran, dass die Gewaltbereitschaft unter jungen, männlichen Muslimen „deutlich höher“ sei als bei nichtmuslimischen Vergleichsgruppen.

Am Freitag dann wollte Schröder den wissenschaftlichen Unterbau für die These über junge Muslime und ihre höhere Gewaltneigung und -praxis vorlegen, mit der sie zuletzt häufig Schlagzeilen gemacht hatte. In Berlin präsentierte sie zwei Studien zum Thema, die ihr Ministerium Anfang Oktober in Auftrag gegeben hatte. Doch auf Zahlen, die eine höhere Gewaltbereitschaft junger Muslime klar belegen, warteten die Teilnehmer der Pressekonferenz im Familienministerium vergeblich. „Es gibt keine“, lautete die kurze Antwort des Dortmunder Erziehungswissenschaftlers Ahmet Toprak auf die entsprechende Frage. Er könne sich „keine Zahlen aus den Fingern saugen, wenn wir keine haben“, meinte der Professor sichtlich genervt, nachdem er seine Studie über Gewalt bei jungen Muslimen und Prävention erläutert hatte.

Die Autorin der zweiten vom Familienministerium in Auftrag gegebenen Studie, die Sozialwissenschaftlerin Sonja Haug, verwies zumindest auf eine Schülerbefragung aus dem Jahr 2009. Darin beschreiben sich muslimische Jugendliche häufiger als gewaltbereit als solche anderer Herkunft oder Religion. Die Professorin kommt auch zu dem Ergebnis, dass die mentale Neigung zu Gewalt bei schlecht integrierten russischen Jugendlichen höher ist als bei jungen Türken. Eigene empirische Daten hatten beide Wissenschaftler nicht erhoben – sie werteten lediglich schon vorliegende Studien aus.

Deutlich differenzierter als in etlichen ihrer Interviews äußerte sich auch die Ministerin. Das Klischee des jungen, bildungsfernen, gewaltbereiten Muslim treffe „nur auf einen sehr geringen Teil“ junger Migranten zu, warnte sie. Auch seien pauschale Urteile über „den Islam“ falsch. Weder sei es richtig, dass er Gewalt predige noch dass er Gewalt ablehne. Doch starke Religiosität bei Muslimen, Machokultur und verstärkte Anwendung von Gewalt seien nicht zu trennen. „Da scheint es einen Zusammenhang zu geben“, sagte Schröder.

Toprak wollte sich die Meinung der Ministerin nur „bedingt“ zu eigen machen. Muslimische Jugendliche würden meist nur dann anfällig für Religiosität und Machokultur, wenn ihre soziale und wirtschaftliche Lage prekär sei, meinte er.

Die Frage, warum die Ministerin ohne sichere Datengrundlage so eindeutige Aussagen zu muslimischen Jugendlichen und Gewalt in die Welt gesetzt hatte, blieb am Freitag ohne Antwort. Schröder hatte sich schon vor Ende der Pressekonferenz mit dem Hinweis verabschiedet, sie müsse an einer namentlichen Abstimmung im Bundestag teilnehmen.

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