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Die neuen Strukturen bei der Bundeswehr verlangen den Soldaten viel ab. Eine Untersuchung des Bundeswehrverbands hat nun ergeben, dass mehr als die Hälfte der Führungskräfte in der Truppe sogar an Kündigung gedacht hat.

© dapd

Kritik an Bundeswehrreform: „Der Truppe droht der Burn-out“

Alarmierender Befund einer Studie: Die Führungskräfte bei der Bundeswehr gehen mit der Umsetzung der Reform hart ins Gericht. Bundeswehrverbandschef Kirsch sieht dringenden Bedarf "nachzusteuern", wenn die Reform nicht scheitern soll.

Von Robert Birnbaum

Nein, sagt der Professor, mit Vergleichszahlen aus der privaten Wirtschaft könne er nicht dienen: „Ich kann Ihnen nur die Daten vorlegen, die wir erhoben haben.“ Das ist ein bisschen schade. Der Chemnitzer Politikwissenschaftler Gerd Strohmeier hat im Auftrag des Bundeswehrverbands untersuchen sollen, wie die jüngste Bundeswehrreform bei der Truppe so ankommt. Genauer gesagt: was die Führungskräfte, vom General bis etwa zur Ebene der Hauptfeldwebel zu der Neuausrichtung sagen, die ihnen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) verordnet hat. Das Ergebnis gibt dem Verbandschef, Oberst Ulrich Kirsch, Anlass, von einem „alarmierenden“ Befund zu sprechen und gar das Scheitern der Reform vorauszusagen, wenn jetzt nicht schleunigst deutlich „nachgesteuert“ werde. „Den Streitkräften droht der Burn-out“, warnt Kirsch.

Tatsächlich lesen sich die Zahlen über weite Strecken unerfreulich. 81 Prozent der befragten Soldatinnen und Soldaten sind der Ansicht, dass sich die Neuausrichtung „negativ“ oder sogar „sehr negativ“ auf sie auswirken wird, weil sie eine höhere Belastung bedeute. Jeweils etwa zwei Drittel sehen die Folgen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Stimmung in der Truppe, die eigene Berufszufriedenheit und das Vertrauen der Soldaten in die Politik pessimistisch. Verbesserungen erwarten die Führungskräfte in Uniform nur bei Ausrüstung, Gerät und Unterbringung. 58 Prozent haben sich überlegt, ob sie der neuen Armee nicht lieber kündigen sollen, fast 64 Prozent würden ihren Kinder nicht empfehlen, Soldat zu werden. Und 88 Prozent sehen dringenden Korrekturbedarf an der Reform, bei der sie sich nicht genügend beteiligt, gefragt und mitgenommen sehen.

So weit, so schlecht. Umso mehr, als Studien des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr seit geraumer Zeit in die gleiche Richtung weisen: Die Truppe fühlt sich zwischen Einsatzdruck, Unterfinanzierung und Reformstress eingezwängt.

Andererseits soll so was in zivilen Berufen auch vorkommen. Außerdem wäre das Gegenteil ein Wunder. Die sechste Reform in zwei Jahrzehnten, die de Maizière von seinem Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg geerbt hatte, mutet gerade den Führungskadern erneut viel zu. Abschied von der Wehrpflicht, Personalabbau von 250 000 auf 175 000 Mann und Frau, Standortschließungen und andere organisatorische Veränderungen sorgen automatisch für Unsicherheit, Unruhe und Mehrbelastung. Dass sich das in Strohmeiers Zahlen niederschlägt – das Gegenteil, wie gesagt, wäre ein Wunder. Immerhin ergibt die Umfrage aber auch, dass gut zwei Drittel der befragten Offiziere und Unteroffiziere das Konzept der Neuausrichtung an sich richtig finden – nur die Umsetzung, sagt gut die Hälfte, könnte sehr viel besser sein.

Kirsch findet das ebenfalls. Weil die Umfrage aber viel zu grob im Allgemeinen bleibt, um aus ihr konkrete Verbesserung abzuleiten, bleibt es ihr Auftraggeber auch. Mehr Geld sei nötig, mehr Planungssicherheit, und man müsse „reden, reden, reden“, fordert der Chef des Berufsverbands. Von der Politik verlangt er, die Reform mehr zu ihrer Sache zu machen und ihr zum Beispiel eine Kabinettsklausur zu widmen. Als Kritik an Kanzlerin oder Verteidigungsminister will der Oberst das aber nicht gelesen sehen: Dass de Maizière die Truppe aufgerufen habe, sich an der Umfrage zu beteiligen, das sei schon „schwer in Ordnung“ gewesen.

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