zum Hauptinhalt
Sozialdemokraten, Grüne, Liberale und Linke im EU-Parlament kritisieren das Vorgehen von Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

© Michel Euler/REUTERS

Kritik an Taxonomie-Plänen im EU-Parlament: „Europäische Öffentlichkeit bewusst umgangen“

Die Energiepläne der Kommission geraten im Europaparlament unter Druck. Ob es unter den Abgeordneten eine Mehrheit gegen Akws und Gas gibt, ist aber fraglich.

Im EU-Parlament wächst der Widerstand gegen die geplante Einstufung von Kernenergie und Erdgas als „grüne“ Energiequellen. Eine Gruppe von Abgeordneten aus den Reihen der Sozialdemokraten, Grünen, Liberalen und der Linken forderte in einem Schreiben die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf, die Pläne zur so genannten Taxonomie noch einmal zu überdenken.

Es sei Besorgnis erregend, dass auf Grund des vorliegenden Entwurfs ein Anreiz für Investoren zur Bereitstellung von Geldern für neue Akws und Gaskraftwerke geschaffen werde, schreiben die Abgeordneten. Dies bedeute, dass „weniger Geld für erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Speicherkapazitäten zur Verfügung stehen wird“.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Kritisiert wird in dem Schreiben das Vorgehen der Kommission, die den Entwurf zur Vergabe des Öko-Siegels für Kernkraft und Erdgas den EU-Mitgliedstaaten in der Silvesternacht zugestellt hatte. Der Entwurf der Kommission werfe eine Reihe von Fragen auf, „sowohl mit Blick auf das Verfahren als auch die Rechtmäßigkeit des Vorschlages an sich“, heißt es in dem Brief der Abgeordneten an die Kommissionschefin. Die Kommission sehe keine öffentliche Befragung von Bürgern und Organisationen vor, wenn die Brüsseler Behörde ihren endgültigen Vorschlag zu Erdgas und Kernenergie erst einmal verabschiedet hat, monieren die Abgeordneten. Sie forderten hingegen eine vierwöchige Konsultation nach der bevorstehenden Veröffentlichung des finalen Vorschlags.

Grüne werfen von der Leyen Nacht- und Nebelaktion vor

Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss forderte, dass im EU-Parlament eine „transparente demokratische Debatte über Europas wichtigsten Hebel für die grüne Transformation“ geführt werden müsse. Bloss gehört zu den Unterzeichnern des Schreibens an von der Leyen. „Als Ursula von der Leyen in der Silvesternacht kurz vor Mitternacht ihren Vorschlag an die EU-Mitgliedstaaten schickte, umging sie bewusst die europäische Öffentlichkeit“, sagte er dem Tagesspiegel.

Bedenken gegen Regelungen für Gaskraftwerke

Der EU-Abgeordnete Joachim Schuster (SPD) erklärte mit Blick auf das geplante Öko-Siegel für Gas, dass das Ziel der EU-Klimaneutralität bis 2050 berücksichtigt werden müsse. „Es muss absolut klar sein, dass neue Anlagen spätestens 2050 abgeschaltet werden und es möglich ist, schon früher fossiles Gas durch regenerative Energien zu ersetzen“, so Schuster.

Bis zu diesem Freitag haben die Mitgliedstaaten Zeit, um ihre Stellungnahmen zum Taxonomie-Entwurf abzugeben. Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte am Mittwoch mit, dass die regierungsinterne Abstimmung für die Stellungnahme noch andauere. Umwelt-Staatssekretär Stefan Tidow bekräftige am Donnerstag bei einem EU-Umweltministertreffen im nordfranzösischen Amiens die Ablehnung der Kernkraft durch die Bundesregierung.

Sobald die Kommission den Rechtsakt zur Taxonomie finalisiert hat, gelten für die Mitgliedstaaten hohe Hürden für einen möglichen Einspruch. Damit die Vergabe des Öko-Siegels für Akws und Gaskraftwerke abgelehnt wird, müssten sich 20 Mitgliedstaaten zusammenfinden. Eine solche Mehrheit ist nicht in Sicht.

EVP als größte Fraktion befürwortet Kommissionspläne

Niedriger sind die Hürden im EU-Parlament. Hier reicht eine einfache Mehrheit für die Ablehnung. Allerdings befürwortet die größte Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) die „grüne“ Einstufung von Atomkraft und Gas. Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hatte erklärt, dass angesichts des Energiebedarfs in der EU beide Energieträger als Brückentechnologien benötigt würden. Aus dem EU-Parlament heißt es, dass sich nach gegenwärtigem Stand keine Mehrheit von Abgeordneten abzeichne, die sowohl die Kernkraft als auch Gasenergie ablehne.

Österreichs Umweltministerin Leonore Gewesseler bekräftigte derweil, dass ihr Land eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen werde, falls die Kommission die Atomkraft als nachhaltige Energiequelle einstuft. Sollte die Brüsseler Behörde ihren Entwurf für die sogenannte Taxonomie umsetzen, „dann werden wir rechtliche Schritte ergreifen“, sagte Gewesseler der Nachrichtenagentur AFP.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false