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Svenja Schulze (SPD) auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD teil.

© Bernd Thissen/dpa

Kritik an zu niedrigem CO2-Preis: Schulze droht mit Sanktionen bei Verfehlen der Klimaziele

„Wer nicht liefert, muss mit der Sanktion rechnen“, sagt die SPD-Umweltministerin. Auch die Grünen sind enttäuscht über die „Maßnähmchen“.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat Ministerien mit Sanktionen gedroht, sollten sie die im Klimaschutzpaket vereinbarten Ziele nicht erreichen. „Es gibt einen klaren Mechanismus: Wer nicht liefert, muss mit der Sanktion rechnen, dass er liefern muss“, sagte Schulze am Samstag am Rande des Parteitags der NRW-SPD in Bochum. Dieses „Sicherheitsnetz“ sei für sie am wichtigsten.

Vor allem im Verkehrsbereich halte sie die Reduktionsziele für „zu optimistisch geschätzt“. Die Umsetzung werde jedes Jahr von Experten überprüft. „Bisher war die Umweltministerin immer bei allem verantwortlich, jetzt ist die gesamte Regierung verantwortlich“, sagte Schulze.

Die Spitzen der großen Koalition hatten sich am Freitag auf ein milliardenschweres Klimaschutzpaket geeinigt. Damit soll die Bundesrepublik ihre verbindlichen Klimaziele für 2030 verlässlich erreichen. Als zentrales Element soll klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) einen Preis bekommen.

Sie hätte sich einen anderen CO2-Preis gewünscht, sagte Schulze mit Blick auf Kritik, dass die vereinbarte CO2-Bepreisung zu niedrig sei. Dennoch sei einiges erreicht worden. Vor einem Jahr hätte noch niemand überhaupt einen Preis auf CO2 für möglich gehalten, sagte Schulze.

Führende Umwelt- und Wirtschaftsforscher halten die Vereinbarungen der Koalition für zu kleinteilig und in der Wirkungskraft zu begrenzt. Gelobt wird allerdings der vereinbarte Mechanismus zur Überprüfung, ob die Maßnahmen wirken.

Schulze wollte am Samstag zum UN-Klimagipfel nach New York fliegen. Deutschland könne sich mit seiner Klimapolitik international sehen lassen, sagte sie. Das Land steige aus Kohle und Atomkraft aus. „Wir sind eines der ersten Industrieländer, das den Schritt zu rein regenerativen Energien geht.“

Grüner Habeck ist entsetzt

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck zeigte sich enttäuscht vom Klimapaket der Bundesregierung. „Mich entsetzt die Kaltherzigkeit, mit der die Bundesregierung eine klimapolitische Wende verweigert“, sagte Habeck der „Rheinischen Post“ vom Samstag. Die Koalition wende sich mit ihren Beschlüssen von den Pariser Klimazielen ab und zerstöre die Hoffnung der Menschen, die seit Monaten für mehr Klimaschutz kämpfen.

Der von der Regierung geplante CO2-Preis sei „kein Preissignal, sondern wieder nur pillepalle“, sagte Habeck. „Er kommt zu spät und ist mit drei Cent pro Liter Benzin als Einstieg viel zu schwach.“ Es brauche einen Preis, der ein klares Signal zur Umkehr gebe: „Klimaschädliches Wirtschaften wird bestraft, klimafreundliches lohnt sich.“

Zudem müssten die Einnahmen vollständig an die Menschen zurückgegeben werden, forderte der Bundesvorsitzende der Grünen. „Aber jetzt gibt es nicht mal den vollständigen sozialen Ausgleich, sondern nur 70 Cent Strompreissenkung pro Monat für eine Durchschnittsfamilie - und mehr Geld für gut verdienende Pendler.“

Vorschläge nicht zu Ende gedacht

Habeck kritisierte zudem, dass der Windkraftausbau wegen der weiten Abstandsregelung zur Bebauung „faktisch unmöglich“ werde. „Damit würgt die Bundesregierung eine Zukunftsbranche ab.“ Auch das sektorspezifische Monitoring, bei dem jeder Bereich jährlich nachweisen soll, ob er seine Klimaziele einhält, sei nicht zu Ende gedacht: „Wo ist die Verbindlichkeit? Was passiert denn, wenn Ziele nicht eingehalten werden? Dann überlegt das Kabinett, was es denn mal so machen könnte. Na besten Dank.“

Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, Bundestagsabgeordneter der Grünen nannte das Papier in der „Passauer Neuen Presse“ vom Samstag ein „Dokument der Mutlosigkeit“. Es sei ein „Sammelsurium an Maßnähmchen“ vorgelegt worden, das völlig unambitioniert sei. Eine historische Chance sei vertan worden.

Kanzleramtschef Braun beton Freiwilligkeit

Kanzleramtschef Helge Braun hingegen hat das Klimaschutzpaket der großen Koalition verteidigt. „Wir wollen, dass alle Menschen ihr Verhalten ändern, dass sie sich klimafreundlicher verhalten. Aber wir wollen, dass sie es freiwillig tun und wir wollen auch, dass sie den Umstieg gut schaffen“, sagte der CDU-Politiker am Samstag im Deutschlandfunk. „Alle sollen schrittweise umsteigen. Wir werden aber niemanden zwingen, heute seine Mobilität von jetzt auf gleich einzuschränken.“

Zu dem von Umweltschützern kritisierten moderaten Einstieg in einen CO2-Preis sagte Braun: „Das Entscheidende ist, dass wir hier in einen Emissionshandel einsteigen.“ Es müssten jetzt alle damit rechnen, dass es eine Umstellungsphase von fünf Jahren gebe, „wo wir ihnen helfen, die Heizung auszutauschen, wo sie die nächste Entscheidung fürs neue Auto treffen, das soll CO2-neutraler sein“. „Und danach kann der Preis dann auch sehr viel deutlicher steigen, weil wir dann ihn politisch nicht mehr so stark regulieren werden“, erläuterte Braun.

Scholz lobt „großen Wurf“

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigten den Kompromiss zum Klimapaket. „Was wir da vorgelegt haben, ist ein großer Wurf“, sagte Scholz am Freitagabend im ZDF. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Rettung des Klimas gelingt nicht in einer Nacht, aber das Klimapaket enthält Grundlagen, die es noch nie gegeben hat.“ Dazu zählten die Förderung von Solaranlagen ohne Deckelung, finanzielle Anreize für Kommunen bei Windkraft an Land sowie „massive Investitionen in eine Infrastruktur der Zukunft“. Für den Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert ist die verabredete jährliche Überprüfung der Maßnahmen „der eigentliche Erfolg in den Verhandlungen“. Das Paket sei ein klassischer Kompromiss. Aber: „Das Ergebnis ist insbesondere bei den Investitionen näher an dem, was wir als SPD wollten, als an dem, was die CDU wollte“, sagte er der dpa.

Nach dem am Freitag vereinbarten Klimapaket der Regierung soll ein CO2-Preis im Verkehr und bei der Wärmeerzeugung einen Schub für klimafreundliche Antriebe und Heizungen auslösen. Starten soll die Bepreisung von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas 2021 mit einem Festpreis für Verschmutzungsrechte von 10 Euro pro Tonne CO2. Bis 2025 soll der Preis schrittweise auf 35 Euro steigen - was zum Beispiel Diesel beim Tanken um gut 9 Cent verteuern würde. Erst danach soll sich der Preis der Verschmutzungsrechte über einen Handel bilden und innerhalb eines Korridors von Angebot und Nachfrage bestimmt werden. (dpa/epd)

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