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Politik: Kritik nur aus der zweiten Reihe

Rot-grüne Führung verzichtet auf Attacken gegen Horst Köhler / Gegen Direktwahl des Bundespräsidenten

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WAHL DES BUNDESPRÄSIDENTEN

Berlin. Einen Tag nach der Nominierung Horst Köhlers als Kandidat von Union und FDP für das Amt des Bundespräsidenten haben SPD-Linke und Gewerkschaftsvertreter die Eignung des Oppositionskandidaten für das Amt infrage gestellt. Die meisten Spitzenpolitiker von SPD und Grünen verzichteten jedoch auf scharfe Töne. Kritik am Vorgehen von CDU-Chefin Angela Merkel wurde von wichtigen Unionspolitikern am Freitag öffentlich nicht geübt. Nur der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler bemängelte die seiner Meinung nach zu enge Zusammenarbeit mit der FDP. Die „babylonische Gefangenschaft“, in die sich die CDU damit begebe, sei falsch, weil die Liberalen „schwache Partner“ seien, sagte er dem Deutschlandfunk.

Bei einer Telefonkonferenz der Parteiführung der Grünen mit den Landesvorsitzenden gab es allerdings Kritik an der Nominierung von Gesine Schwan als Kandidatin von Rot-Grün, wie die Zeitung „Die Welt“ berichtete. Der Vorsitzende der nordrhein- westfälischen Grünen, Frithjof Schmidt, habe die Präsidentin der Universität Frankfurt (Oder) als „eine der übelsten Hetzerinnen gegen die Grünen“ bezeichnet, hieß es. Das Nominierungsverfahren bezeichnete er als „absolut daneben“. Kritik am Verfahren äußerte demnach auch die frühere Grünen-Chefin Claudia Roth. Sie sei vor allem unzufrieden damit, dass der Parteirat als erweitertes Führungsgremium der Grünen bei der Entscheidung für Gesine Schwan keine Rolle gespielt hatte.

Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) sagte dem Tagesspiegel, es sei „nichts Schlimmes, wenn jetzt noch nicht so viele Bürger in Deutschland Köhler kennen“. Köhler könne gut auf Menschen zugehen. „An ihm ist nichts Gravitätisches“, sagte Waigel, unter dem Köhler als Staatssekretär gearbeitet hatte. Köhler könne nicht nur ökonomische Modelle diskutieren, sondern auch Ideen konkret umsetzen. Er sei „durch seine umfassende Vorbildung im nationalen, europäischen und internationalen Bereich“ die am besten ausgebildete Person für ein so hohes Amt, lobte der CSU-Politiker. Als Bundespräsident werde er einen „ganz neuen Köhler-Stil" etablieren, prophezeite Waigel.

SPD-Fraktionsvize Michael Müller sprach Köhler indessen wichtige Fähigkeiten eines Bundespräsidenten ab. Die wirtschaftspolitischen Überzeugungen des Kandidaten entsprächen nicht „dem europäischen Geist“, sagte er dem Tagesspiegel. Zwar habe er nichts gegen Köhler persönlich. Jedoch vertrete der frühere Staatssekretär „die Philosophie des kapitalorientierten Managements“. Während diese Auffassung weltweit an Bedeutung verliere und zunehmend Wissen statt Kapital als knappes Gut erkannt werde, wolle Köhler den Deutschen diese veralteten Thesen als Bundespräsident nahe bringen: „Er ist ein Mann der neunziger Jahre, aber nicht der richtige Präsident für die auf Deutschland zukommenden Herausforderungen“, sagte Müller. „Dieser Kandidat ist gut geeignet als Mitgliederwerbeprogramm für Attac, aber nicht als Bundespräsident.“ SPD-Fraktionsvize Joachim Poß nannte die Nominierung „hoch problematisch“. In Zeiten der Orientierungslosigkeit benötige das Land „einen Präsidenten mit der Fähigkeit zur Sinnstiftung“. Diese traue er Köhler nicht zu, obwohl der „ein sachkundiger Politiker ohne parteiliche Enge“ sei.

DGB-Chef Michael Sommer warnte vor einem zu engen Profil des Kandidaten. Gefragt sei „ein Bürgerpräsident, bei dem mehr als nur ökonomischer Sachverstand da ist“. IG-Metall-Chef Jürgen Peters kritisierte die Wahl eines Vertreters der internationalen Finanzwelt. Union und FDP seien „schon lange auf dem Pfad einer neoliberalen Weltordnung“, sagte Peters: „Köhler ist Ausdruck dieser Linie.“ Die PDS-Führung ließ erkennen, dass sie in der Bundesversammlung eher Schwan als Köhler wählen wolle. Die Partei stellt 31 Delegierte. Zur Wahl nötig sind 604 Stimmen, CDU, CSU und FDP verfügen über 624. Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) sagte, die Parteichefs könnten sich darauf verlassen, dass die Vertreter der Bundesversammlung „wie Zinnsoldaten dastehen“.

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