zum Hauptinhalt

Politik: Kritiker-Kompetenz

Einst bezeichnete Kirchhof die Unions-Steuerpläne als „schwer vertretbar“ – nun soll er sie propagieren

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die überraschende Berufung des Heidelberger Steuerrechtlers und ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof in das Kompetenzteam der Union könnte schon bald zu einer Wiederbelebung der Mehrwertsteuerdebatte führen. Erst vor wenigen Wochen hatte Kirchhof die Ankündigung der Union, im Falle eines Wahlsieges die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent anheben zu wollen, als „Schatten“ auf dem Wahlprogramm von CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel bezeichnet.

Weil insbesondere Familien mit Kindern von einer höheren Umsatzsteuer betroffen wären, bezeichnete Kirchhof das Wahlziel der Union als „sozialstaatlich und gleichheitsrechtlich nur schwer vertretbar“. Dies gelte auch unter der Voraussetzung, dass die Union die Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung von niedrigeren Lohnnebenkosten einsetzen will. Kirchhof, der seit Jahren eine Schieflage in der steuerlichen Behandlung von Familien in Deutschland beklagt, sah diese Ungleichbehandlung durch das Unionskonzept noch verschärft.

FDP-Vorstandsmitglied Daniel Bahr bewertete die Benennung Kirchhofs denn auch als „eindeutiges Signal der Kanzlerkandidatin für einen mutigen Kurs der Steuersenkung“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Die FDP sieht sich bislang als einzige Partei, die den Wählern im Wahlkampf durchgängig Steuersenkungen verspricht. Die geplante Anhebung der Mehrwertsteuer bezeichnen die Liberalen als Fehler, den sie im Fall einer Koalitionsbildung mit der Union nach dem 18. September korrigieren wollen.

Nach kurzzeitigen Irritationen darüber, ob Merkel im Kompetenzteam die Bereiche Wirtschaft und Finanzen – Kernbereiche des Wahlprogramms – überhaupt personell besetzen oder selbst verantworten will, wurde am Dienstag bekannt, dass der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) als Teammitglied für die Bereiche Wirtschaft und Arbeit agieren soll. Müller hatte sich in der Vergangenheit selbst des öfteren als „sozial“ bezeichnet und darauf verwiesen, dass er ein Anhänger von Heiner Geißler sei.

Zu Merkels Team, dessen Mitglieder nicht mit möglichen Kabinettsmitgliedern gleichgesetzt werden sollen, zählen neben Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) auch der kulturpolitische Fraktionssprecher Norbert Lammert (CDU) und die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU). Lammert soll am Mittwoch offiziell zum Kompetenzträger für Kulturfragen ernannt werden. Von der Leyens Kompetenzbereiche sind soziale Fragen und Familienpolitik. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos, der als Ressortchef für Verteidigung oder Verkehr gehandelt wird, erhielt keine feste Zuständigkeit. Ebenfalls bekannt wurde am Dienstag die Ernennung von Dieter Althaus zum Teammitglied. Der thüringische CDU-Ministerpräsident hatte in den vergangenen Wochen wiederholt darauf verwiesen, dass er bei einer Regierungsübernahme keinen Sinn in der Bildung eines separaten Ost-Ministeriums sieht.

Bereits seit mehreren Tagen stehen die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble (Außenpolitik), Annette Schavan (Bildungspolitik) sowie die CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt (Agrarpolitik) auf der Kandidatenliste des Teams der CDU-Chefin. Ohne besonderen Aufgabenbereich soll auch CSU-Chef Edmund Stoiber dem engsten Wahlkampfzirkel der Union angehören. Fotos: dpa, ddp (1), Wolff (1)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false