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Politik: Kroatien muss warten

Alle Unschuldsbeteuerungen nutzten nichts. Und auch der mehrfach erklärte Ärger des kroatischen Regierungschefs Ivo Sanader brachte keine Wende. Knapp 24 Stunden bevor die Verhandlungen über einen Beitritt Kroatiens zur EU beginnen sollten, zogen die in Brüssel versammelten Außenminister die Notbremse.

Brüssel (16.03.2005, 16:42 Uhr) - Mit Kroatien soll erst verhandelt werden, wenn Zagreb bewiesen hat, dass es zur «uneingeschränkten» Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal der UN in Den Haag bereit ist.

Es ist das erste Mal, dass die EU in so spektakulärer Weise einen wichtigen Termin platzen lässt. Diesen hatten die Staats- und Regierungschefs höchstselbst im Dezember vergangenen Jahres festgezurrt und stolz verkündet. Vergeblich hatte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, derzeit Vorsitzender der Ministerrunde, bis zuletzt gehofft, der kroatische Ex-General Ante Gotovina könne auf wundersame Weise doch noch plötzlich in Den Haag auftauchen.

Drei Stunden lang, viel länger als erwartet, ging es in der Ministerrunde teilweise hoch her. Als Sloweniens Außenminister Dimtrij Rupel erregt rief: «Lasst uns keine neue Mauer zwischen Kroatien und der EU errichten», fuhr Asselborn dazwischen: «Von einer Mauer kann gar keine Rede sein.»

Als «Frage der Fairness» bezeichnete Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik das von ihr geforderte Festhalten am Verhandlungstermin, für das sich auch Ungarn, Slowenien und die Slowakei stark machten. Schließlich wollte die EU dem Rest des Balkans Kroatien als leuchtendes Beispiel dafür präsentieren, dass sich politische und wirtschaftliche Reformen lohne. Und auch der konservative Sanader war vor dem EU-Ministerrat nicht müde geworden, als Lobbyist in eigener Sache auf die durchaus schwierigen Reformprozesse in seinem Land und auf zahlreiche Fälle zu verweisen, in denen man bestens mit der Den Haager Chefanklägerin Carla del Ponte zusammen gearbeitet habe.

Doch die Gegenargumente - vor allem von Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Schweden ins Feld geführt - überwogen. Dabei ging es nicht nur darum, dass Del Ponte detailliert dargelegt hatte, dass Gotovina «in Reichweite» der kroatischen Behörden ist oder zumindest war. Auch die Geheimdienste mehrerer EU-Staaten hatten ihren Regierungen signalisiert, der Ex-Fremdenlegionär Gotovina, der auch im Besitz eines französischen Passes ist, sei keineswegs unauffindbar. Sanaders Vorschlag, eine EU-Beobachtermission nach Kroatien zu entsenden, sei keine Lösung. Immer wieder machten vor allem Briten, Finnen und Dänen darauf aufmerksam, es gehe nicht nur um Gotovina, sondern auch um dessen «Unterstützernetzwerk».

Jene, die für die Verschiebung der Beitrittsverhandlungen eintraten, wollten andere Signale an die Außenwelt senden: So soll auch anderen Balkanstaaten klar sein, dass die von der EU gestellten Bedingungen ernst genommen werden müssen. Die bosnischen Serben Radovan Karadzic und Ratko Mladic, die auf Del Pontes Liste der Meistgesuchten noch vor Gotovina rangieren, dürften sich nicht in Sicherheit wiegen. «Wir sehen doch, dass eine entschlossene Politik wirkt», sagte ein EU-Diplomat: Die Tatsache, dass sich der Kosovo-Regierungschef Ramush Haradinaj dem Kriegsverbrechertribunal stellte, beweise das. «Zehn Verdächtige sind in den vergangenen zehn Wochen nach Den Haag gekommen, das ist sehr gut», sagte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn. Kroatien, das ist nun sicher, wird die EU-Außenminister in nächster Zeit noch öfter beschäftigen.

(Von Dieter Ebeling, dpa) ()

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