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Kroatien wird Mitglied der EU: Tourismusbranche setzt auf steigende Buchungszahlen

Kroatien wird am kommenden Montag Mitglied der EU. Das Land steckt seit 2009 in der Rezession. Die Regierung in Zagreb setzt darauf, dass nach dem EU-Beitritt neue Investoren kommen.

Für Kroatien war es lange Zeit eine Zitterpartie. Als Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im vergangenen Herbst erklärte, Kroatien sei „offensichtlich noch nicht beitrittsreif“, da schrillten in Zagreb die Alarmglocken. Seit 2005 verhandelte das Land mit der EU über den Beitritt, die Gespräche waren im Sommer 2012 abgeschlossen worden. Und nun sollte Kroatien, das im Verlauf der Verhandlungen einer so harten Prüfung aus Brüssel unterzogen wurde wie kein Beitrittskandidat zuvor, auf den letzten Metern doch noch gestoppt werden? Am Ende kam es schließlich wie erwartet: Der Staat zwischen Adria und Serbien wird am 1. Juli das 28. Mitgliedsland der Europäischen Union.

„Das war die Torschlusspanik von Erweiterungsgegnern“, bewertet Dietmar Dirmoser, der das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Zagreb leitet, heute im Rückblick die skeptischen Äußerungen des Bundestagspräsidenten. Allerdings hatte Lammerts Warnung seinerzeit durchaus ihre Berechtigung: Noch im vergangenen Oktober mahnte die EU-Kommission an, dass Kroatien vor dem Beitritt noch mehrere Defizite beseitigen müsse – unter anderem in den Bereichen der Justiz und der Verwaltung. Erst im vergangenen März bescheinigte die Brüsseler Behörde dem Land endgültig die Beitrittsreife. In Zagreb wurde die Nachricht mit Genugtuung aufgenommen; schließlich sieht sich der Staat nicht als Teil des Balkans, sondern Mitteleuropas.

In der Bevölkerung herrscht Gleichgültigkeit

Kroatien hat sich nicht unbedingt den besten Zeitpunkt für die Aufnahme in den Brüsseler Klub der Europäer ausgesucht. Noch immer schlägt die Euro-Krise aufs Gemüt der Europäer, entsprechend gering ist die Erweiterungs-Euphorie. Und auch im Adria-Land selbst ist die Begeisterung eher verhalten. Ein Viertel der Bevölkerung ist für den Beitritt, ein weiteres Viertel ist dagegen, und der große Rest schwankt zwischen „freundlicher und banger Indifferenz“ – so fasst Dietmar Dirmoser von der FES die Stimmung vor dem Beitritt zusammen. Für das weitverbreitete Desinteresse macht er vor allem Kroatiens Politiker verantwortlich, denen es nie gelungen sei, die Diskussion über das Für und Wider des Beitritts über den „politikinteressierten Sprengel“ hinauszutragen. Anders als beispielsweise beim EU-Beitritt Österreichs in den neunziger Jahren, der seinerzeit bis ins hinterste Bergdorf der Alpenrepublik ein Thema war, sei der Beitritt in Kroatien stets immer nur ein Elitenprojekt gewesen. Trauriger Höhepunkt war im vergangenen April die Europawahl, bei der die Bevölkerung zwischen Dubrovnik und Vukovar über Kroatiens zwölf EU-Abgeordnete zu bestimmen hatte. Die Wahlbeteiligung lag gerade einmal bei 21 Prozent.

Trotz aller Bedenken, die von EU-Seite vor allem wegen der Korruption beim Neuling vorgetragen wurden, ist der Beitritt auch eine Chance für die Gemeinschaft. Die Europäische Union trägt zwar den Ruf vor sich her, ein Friedensprojekt zu sein. Allerdings können die meisten EU-Bürger diesen Anspruch nur noch durch einen Blick in die Geschichtsbücher nachvollziehen. Anders liegen die Dinge im Fall Kroatiens, wo noch vor 18 Jahren ein blutiger Krieg tobte. Wer verstehen will, wie tief die Wunden sind, die der Krieg zwischen der kroatischen Armee und serbischen Truppen geschlagen hat, der muss nach Vukovar im Osten des Landes schauen. Im vergangenen April organisierte die Bevölkerungsmehrheit dort Proteste gegen das Vorhaben, Schilder in kyrillischer Schrift aufzustellen. Auch wenn die serbische Minderheit in Vukovar einen Anspruch darauf hat, wollten viele Bewohner der Stadt dies nicht hinnehmen. Vukovar war während der serbischen Belagerung in den neunziger Jahren weitgehend zerstört worden. Bei den Protesten im April zogen viele Demonstranten wieder ihre Kriegsuniform von damals an.

Wenn ein vom Krieg geschundenes Land wie Kroatien nun Mitglied der Europäischen Union wird, dann könnte sich der neue EU-Staat demnächst auch als Stabilitätsanker für die gesamte Region erweisen. Unter den EU-Aspiranten auf dem Balkan rechnet sich vor allem Montenegro Chancen auf einen Beitritt in nicht allzu ferner Zukunft aus.

Noch mehr als die Perspektive eines dauerhaften Friedens zählt für die Kroaten allerdings die Frage, welche wirtschaftlichen Folgen der EU-Beitritt für sie haben wird. Die ökonomische Lage ist denkbar schlecht; seit 2009 befindet sich das Land in der Rezession. Nichts benötigt Kroatien so sehr wie Investitionen aus dem Ausland. Wenn Zagreb ab dem 1. Juli gewissermaßen über das „EU-Gütesiegel“ verfügt, dann sollen auch die Gelder aus dem Ausland sprudeln – dies ist zumindest die Hoffnung der Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Zoran Milanovic.

Ob die Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. Zwar hofft Kroatien ab dem Sommer verstärkt auf Investitionen im Energie-, Verkehrs- und Umweltbereich. Andererseits gilt das Land unter den mittel- und osteuropäischen Staaten als wirtschaftlicher Nachzügler. Von Zuständen wie im benachbarten Slowenien, wo die Automobilindustrie einen Anteil von über 20 Prozent am Export hat, ist Kroatien weit entfernt.

Profitieren dürfte vom EU-Beitritt hingegen wohl am ehesten der Tourismus, der das Land in den vergangenen Jahren wirtschaftlich vor dem Schlimmsten bewahrt hat. 11,8 Millionen Besucher wurden im letzten Jahr registriert – ein Plus von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Großteil der Touristen kam aus Deutschland, Slowenien, Österreich und Italien. In diesen Ländern gilt der Adria-Staat als traditionelles Ferienziel. Inzwischen ist der geschäftliche Einbruch während der Balkan-Kriege der neunziger Jahre längst überwunden. Im vergangenen Jahr hatte der Tourismus immerhin einen Anteil von rund 15 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Als EU-Mitglied kann Kroatien jetzt darauf bauen, dass die Zahl noch weiter steigt.

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