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Politik: Kröten schlucken – aber richtig

Politik könnte so einfach sein. Ein Amt haben und Entscheidungen treffen, die dem Volke dienen, fertig.

Politik könnte so einfach sein. Ein Amt haben und Entscheidungen treffen, die dem Volke dienen, fertig. Das Dumme ist nur, dass um die Entscheidungen und ihre sachliche Richtigkeit immer so verbissen gerungen wird. Der Politiker hat dabei Kröten zu schlucken und Frösche zu küssen – und gleichzeitig sorgfältig darauf zu achten, dass er beide nicht verwechselt. Nur ein einziger Krötenkuss, und zack, verwandelt sich das Biest nicht in einen Prinzen, sondern in einen zeternden Lobbyisten, und der ganze schöne Kompromiss geht zum Teufel.

Nirgendwo werden Kröten so inbrünstig und massenhaft geschluckt wie in einer Koalition – ein Schlachtefest! Christian Wulff, Ministerpräsident aus Niedersachsen, hat gestern anlässlich des Antidiskriminierungsgesetzes eine interessante Beobachtung zur vergleichenden Krötenforschung beigesteuert: In einer großen Koalition müsse man große Kröten schlucken, dürfe sich aber nicht an ihnen verschlucken.

Das ist ein neuer Aspekt, denn bislang galt unter Experten als gesichert, dass der Wille zum Schlucken gleichbedeutend sei mit dem Gelingen dieses Unterfangens. Kröte gepackt, Mund auf, runter damit. Das hat selbst 1966 funktioniert, als die SPD, wie Helmut Schmidt sich erinnert, die Kröten Strauß und Kiesinger schlucken musste, während die CDU Wehner und Heinemann herunterwürgte – größere, fleischigere Exemplare hat es in der Nachkriegsgeschichte der Krötenschluckerei nicht gegeben.

Doch nun, so jedenfalls verstehen wir Wulffs Warnung, könnte die von der SPD gereichte fette Gesetzeskröte im christdemokratischen Hals stecken bleiben. Hustenanfall, verzweifeltes Würgen, Atemnot und Erstickungsanfälle – hat der Patient Glück, fliegt das Vieh in hohem Bogen durch den Parlamentsflur. Falls nicht, muss der Notarzt rasch eingreifen und das letzte Mittel, den Koalitionsschnitt, einsetzen. Dabei bleibt die Koalition aber meist auf der Strecke. Die Folge: Neuwahlen. Aber diese Kröte muss dann der Wähler schlucken, und der hat ohnehin die meiste Erfahrung damit.

Was kann die CDU vorbeugend tun? Zu Wulffs Gesetz der großen Koalition gibt es eine weniger bekannte Ergänzung: Wer eine große Koalition führen will, muss kleine Brötchen backen. Stück für Stück abbeißen, immer ein Stück Kröte dazwischen, gut kauen, und schon läuft die Sache. Eventuell übrige Kröten werden zur Krötenwanderung gegeben und von Freiwilligen zu ihren Laichplätzen getragen, wo sie auf den nächsten Einsatz warten. Es kann nicht lange dauern, bis die Koalition sie wieder braucht.

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