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Krümmel: Wie zuverlässig ist Vattenfall?

Das Atomkraftwerk Krümmel bleibt aus und Vattenfall in der Kritik. Wie zuverlässig ist der Energiekonzern?

Krümmel ist für Vattenfall kein gutes Stichwort. Vor zwei Jahren ein Brand, dann zwei Störfälle innerhalb kurzer Zeit. Jetzt ist der Reaktor wieder abgeschaltet und der Energiekonzern, der das AKW betreibt, wird hart kritisiert. Experten sorgen sich vor allem darum, ob das Unternehmen in der Lage ist, die Sicherheit der Atomanlagen zu garantieren.

Was hat Vattenfall seit den Störfällen

vor zwei Jahren unternommen?

Es wurden Dübel und Armaturen erneuert. Und zwar mit einem enormen Aufwand: Rund 150 Millionen Euro kostete Vattenfall die Reparaturarbeit in den beiden Atomkraftwerken. In Krümmel wurden 400 Dübel ausgewechselt und 39 Armaturen saniert, in Brunsbüttel waren nach Vattenfall-Angaben 32 Armaturen sowie fast 1100 Dübel betroffen, dort läuft die Instandsetzung noch. Die Reparaturkosten sind eine Seite. Weitaus gravierender ist für den schwedischen Staatskonzern, der in Deutschland und Schweden insgesamt neun AKW betreibt, der Erlösausfall: Jeden Tag, den die beiden Meiler nicht am Netz sind, entgehen dem Unternehmen zwei Millionen Euro. Dennoch hat sich Vattenfall Zeit gelassen, um mit der Wiederinbetriebnahme unbedingt auf Nummer sicher zu gehen. Anfang des Jahres kam Unternehmenschef Lars Josefsson persönlich aus Stockholm nach Berlin, um hier seinen neuen „Sicherheitsrat“ für die Atomtechnologie vorzustellen: die Herren Carl Bildt, ehemals schwedischer Außenminister und Chef der Internationalen Atomenergieorganisation sowie der Schweizer Atommanager Peter Hirt. Mit den beiden Experten „wollen wir die Standards unserer Kernkraftwerke so erhöhen, dass wir internationale Maßstäbe setzen“, sagte Josefsson damals.

Welche Folgen hat der Störfall für

die Kernkraftwerke von Vattenfall?

Krümmel wird vor der Bundestagswahl Ende September vermutlich nicht wieder ans Netz gehen. Und auch die Inbetriebnahme von Brunsbüttel ist in den kommenden Monaten wohl kein Thema. Was intern Ratlosigkeit erzeugt, ist die Ursache der erneuten Panne. „Schon wieder ein Transformator“, stöhnt ein Aufsichtsrat. Das Kontrollgremium wurde am Montagmorgen vom Vattenfall-Vorstand über den Störfall informiert. Im Unternehmen ist man sich einig, dass eine mögliche Diskussion über längere Laufzeiten der Atomkraftwerke, die nach der Bundestagswahl erwartet worden war, nun schwieriger wird. So wie schon vor zwei Jahren sehen sich auch diesmal die AKW-Gegner bestärkt.

Wie groß ist der Schaden für Vattenfall?

Der Imageverlust ist nicht zu messen. Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Konzerns stehen zur Debatte, und das ausgerechnet in einer Zeit, in der wichtige energiepolitische Entscheidungen anstehen. Zum Beispiel bei der Kohle. Vattenfall verstromt in ganz erheblichem Umfang ostdeutsche Braunkohle und ist einer der Protagonisten der Abscheidung und Speicherung von CO2. Doch das entsprechende Gesetz ist gerade eben auf Eis gelegt worden, weil es Widerstände gegen die unterirdische Speicherung des Klimagases gibt. Kann man Vattenfall zutrauen, einen solchen Speicher sicher zu versorgen? Anders gesagt: Das Debakel bei der Kernenergie kann auch negative Folgen für die Zukunft der Kohle haben.

Gibt es personelle Konsequenzen?

Nach den Pannen vor zwei Jahren warf Josefsson den deutschen Vattenfall-Chef Klaus Rauscher raus. Dieses Mal ist das schwieriger, denn Tuomo Hatakka, Vorstandsvorsitzender von Vattenfall Europe, wird noch gebraucht: Der Finne gilt als einer der Kronprinzen Josefssons. Vermutlich gibt es das eine oder andere symbolische Personalopfer in der Kraftwerkssparte. Auch wegen der unglücklichen Informationspolitik. Als es am Sonnabendmittag um 12.02 Uhr zum Störfall kam, war gerade wegen einer Anti-Krümmel-Demo Polizei auf dem Gelände. Und die hat offenbar den Störfall schnell weitergemeldet und ist damit Vattenfall zuvorgekommen. Dumm gelaufen für den Energiekonzern.

Welche Schäden sind aufgetreten?

Die Auswirkungen der Schnellabschaltung des Kernkraftwerkes Krümmel werden Stück für Stück sichtbar. Vielerorts wird noch geprüft, ob zwischen einzelnen Störungen und dem Zwischenfall im AKW Krümmel ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. So haben sich beispielsweise sensible Apparaturen für Trinkwasserpumpen der Wasserwerke sogar in Kiel abgeschaltet. Allerdings gab es in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt nicht so viele Wasserrohrbrüche wie in Hamburg. Dort sind neben überfluteten und teilweise abgesackten Straßen nach Auskunft der Hamburger Feuerwehr auch insgesamt 27 Keller von Privatpersonen voll gelaufen, die leer gepumpt werden mussten. Schätzungsweise 100 000 Hamburger waren infolge geplatzter Wasserleitungen zeitweise ohne Trinkwasser. Die rund um die Uhr produzierenden Kupferwerke Norddeutsche Affinerie war nur eine Firma, die den Ausfall von Aggregaten und damit nach Auskunft einer Unternehmenssprecherin einen niedrigen sechsstelligen Betrag an Produktionsverlust zu beklagen hatte. Das Versagen elektronischer Kassen und von Geldautomaten war da noch eine glimpfliche Folge. Ob auch ein Ausfall der Telefonanlage bei der Polizei Flensburg auf die Geschehnisse in Krümmel zurückzuführen ist, bleibt Spekulation. Zumindest fiel der Vorgang in das Zeitfenster der dortigen Panne.

Wie sieht die Schadenregulierung aus?

Alle Schadenersatzforderungen weist Vattenfall zurück. Von einem großen industriellen Arbeitgeber in Hamburg erfuhr der Tagesspiegel, dass für genau solche Vorfälle eine Abmachung mit Vattenfall existiere, die dem geschädigten Unternehmen gerade einmal 2500 Euro zukommen lässt. Die Hamburger Wasserwerke etwa wollen sich schnell mit dem Energiekonzern zusammensetzen und den Sachverhalt erörtern. Eine gerichtliche Auseinandersetzung mit Vattenfall habe es in der Vergangenheit noch nie gegeben, betonte ein Sprecher der Wasserwerke. Auch diesmal setze man darauf, mit dem Energieunternehmen zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.

Anders die Grünen. Konstantin von Notz, Spitzenkandidat der schleswig-holsteinischen Grünen für die Bundestagswahl, hat für Dienstag angekündigt, bei der Staatsanwaltschaft in Lübeck Anzeige zu erstatten. Von Notz, selbst Jurist, hat den Verdacht, dass gegen atomrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Betreiben des Kernkraftwerkes und speziell auch mit dem Wiederanfahren des Meilers verstoßen wurden. Seine Klage richtet sich gegen die Verantwortlichen, die er aber nicht namentlich benennt.

Welche weiteren Erkenntnisse gibt es

über die Ursachen des Störfalls?

Noch ist der Grund für den Kurzschluss in einem Trafo des AKW Krümmel weiter ungeklärt. Eine Sprecherin des Betreibers Vattenfall sagte, derzeit liefen noch Untersuchungen. Bei dem Transformator handelt es sich um ein baugleiches Aggregat zu jenem Trafo, der am 28. Juni 2007 ebenfalls durch einen Kurzschluss in Brand geraten war. Am Samstag hatte ein Kurzschluss im zweiten Trafo wieder eine Schnellabschaltung des Reaktors ausgelöst.

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