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Politik: Kündigungsschutz: Es brodelt in der SPD

Abgeordnete und Gewerkschafter warnen vor vereinbarter Lockerung / Atomausstieg weiter strittig

Berlin - Bereits vor der Schlussrunde der Koalitionsverhandlungen in Berlin belastet die geplante Lockerung des Kündigungsschutzes das Verhältnis der SPD zu den Gewerkschaften. Die DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer warnte, dem Kündigungsschutz drohe mit der von Union und SPD vereinbarten Aufweichung das Aus. Einzelne SPD-Politiker zeigten sich skeptisch, ob der SPD-Parteitag kommende Woche die große Koalition billigen wird. In den Verhandlungen sind vor allem Finanzfragen noch offen.

Nach langem Streit hatte die Union am späten Dienstagabend durchgesetzt, dass der gesetzliche Kündigungsschutz künftig erst nach zwei Jahren greifen soll, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer das vereinbaren. Die SPD erreichte im Gegenzug, dass Kündigungen ohne sachliche Begründung in den ersten zwei Jahren nicht möglich sind. Engelen-Kefer warnte, wenn der Kündigungsschutz in den ersten 24 Monaten „grundsätzlich nicht mehr gilt, droht er ganz wegzubrechen“. Fast die Hälfte der Kündigungen werde in den ersten zwei Jahren ausgesprochen.

Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) sagte dem Tagesspiegel: „Ich habe riesige Zweifel, ob die Partei da mitmacht.“ Juso-Chef Björn Böhning sprach von einer „Katastrophe gerade für die junge Generation". Gleichwohl sei der Koalitionsvertrag als Gesamtpaket zu bewerten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner nannte die Regelung „schwer erträglich“. Die SPD- Linke Andrea Nahles sagte hingegen: „Unter dem Strich ergibt sich für die Menschen in Deutschland keine Verschlechterung." Schon heute umgingen Arbeitgeber durch Befristungen den Kündigungsschutz.

Böhning forderte erneut eine „Reichensteuer“ als Preis für die Zustimmung zu einer höheren Mehrwertsteuer. Die Wirtschaftsweisen warnten, eine höhere Mehrwertsteuer könne die Konjunktur schädigen. Die Finanzarbeitsgruppe geht aber mit dem Vorschlag in die Schlussrunde, die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent anzuheben. Die Union will einen Teil davon zur weiteren Verringerung der Lohnnebenkosten einsetzen. Eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um einen Prozentpunkt haben Union und SPD bereits verabredet. Er soll durch Einsparungen bei der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden. In der letzten Verhandlungsrunde muss Donnerstagnacht auch der Atomstreit entschieden werden. Der designierte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, es gebe darüber nach wie vor keinen Konsens und dementierte damit Berichte vom Vortag. Die Union verlangt weiter eine längere Laufzeit für Atomkraftwerke, was die SPD ablehnt. In einer Vorlage der Arbeitsgruppe Umwelt für den Koalitionsvertrag, der den Potsdamer Neuesten Nachrichten vorliegt, heißt es dazu, Ziel sei ein „breiter Energiemix“, „der auch die Kernenergie einschließt.“ Angefügt ist: „Dieser Satz ist zwischen CDU/CSU und SPD streitig.“

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte beide Seiten zu weitergehenden Reformen und Ausgabenkürzungen auf. Auch die Vorschläge zum Kündigungsschutz reichten nicht aus, sagte er dem Tagesspiegel. BDI-Chef Jürgen Thumann hob hingegen die schwierige Lage der Koalitionäre hervor. bib/ce/has/hmt/SB

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