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Politik: Kunde Patient

Bisher hatten Kranke und Beitragszahler keine Lobby. Das soll sich ändern. Ulla Schmidt will für sie sogar einen Bundesbeauftragten

Sie sind diejenigen, um die sich alles dreht, die man aber nie zu fragen braucht. Wenn sich Ärzte und Krankenkassen in Koordinierungsausschüssen zusammenraufen, wenn Zulassungskommissionen neue Arzneien durchwinken, wenn über Budgets befunden wird oder über den Leistungskatalog der gesetzlichen Versicherungen – eine Lobby fehlt garantiert am Verhandlungstisch: die der Patienten und Beitragszahler.

Insofern ist es schon ungewöhnlich, dass Edda Müller in die Rürup-Kommission berufen wurde. Die Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und -verbände sieht das selber so. Sie spricht von einer „Premiere“. Offenbar habe die Politik umgedacht. Und erkannt, dass ihr in den Verbrauchervertretern Mitstreiter und „Moderatoren“ zwischen den verhärteten Fronten der Gesundheitslobbyisten zuwachsen könnten. „Auch wir haben ja ein Interesse daran, beides hinzukriegen: stabile Beiträge und ein leistungsfähiges Gesundheitssystem.“

Dumm nur, dass die Patientenlobby so schwach ist. Der Verband der Krankenversicherten Deutschlands (VKVD) etwa zählt gerade einmal 5000 Mitglieder. Umso streitbarer gibt sich ihr Präsident. Die Reformdebatte erwecke den Eindruck, „dass der Patient nur im Wege steht“, sagt Heinz Windisch. Die Verhandlungsführer hätten eigene Interessen, die der Patienten blieben auf der Strecke. Zu retten sei das System nur, wenn man Reiche stärker zur Kasse bittet – mittels höherer Beitragsbemessungsgrenze etwa und der Anrechnung von Miet- und Zinseinnahmen. Ein „Sparen um des Sparens willen“ hingegen lehnt Windisch ab.

Edda Müller will heikle Finanzierungsfragen erst mal in der Kommission diskutieren. Was sie öffentlich beklagt, sind die schlechten Informationsmöglichkeiten für Patienten. „Es fehlt an unabhängiger Beratung“, sagt sie. Die Krankenkassen könnten diesen Bedarf nicht decken. Sie seien an Kostenfaktoren interessiert und insofern ebenso Partei wie Ärzte und Kliniken. Ob Versorgungsqualität oder Kassenangebote – Versicherte hätten ein Recht auf Einblick und Leistungsvergleiche. Auch bei Behandlungsfehlern und Entschädigungsfragen müssten ihnen unabhängige Berater zur Seite stehen.

In Ulla Schmidts Eckpunkten sehen die Verbraucherschützer diesbezüglich Erfreuliches. Anders als die Kassen und Ärzte lobt Edda Müller etwa die Idee, ein unabhängiges Zentrum für Qualität in der Medizin einzurichten. Auch die Idee, den Hausarzt zu stärken und als Gesundheitslotsen einzusetzen, hält die Verbandschefin für gut. Die „durchaus richtige und von uns auch begrüßte Freiheit der Arztwahl“ habe oft „dazu geführt, dass Patienten von Pontius zu Pilatus, durch eine Art von Selbstdiagnose von Facharzt zu Facharzt gegangen sind“, räumt Edda Müller ein. Kompetente „Wegweiser“ seien ebenso nötig wie deren unabhängige Fortbildung. Bislang, so Edda Müller, seien viele Angebote leider „rein von Pharmainteressen geprägt“.

Und alle Gesundheitsminister seien „am Klientelismus gescheitert“. Der das sagt, heißt Karl Hermann Haack, ist SPD-Abgeordneter, Behindertenbeauftragter und möglicherweise auch bald Patientenbeauftragter der Regierung. Auch so eine Forderung der Verbraucherverbände, die es in Schmidts Eckpunkte geschafft hat. „Wir brauchen jemanden, der die Sichtweise der Patienten stärker in die Debatte einbringt“, sagt Edda Müller. Der gelernte Apotheker scheint der Richtige zu sein: Im Gesundheitssystem müsse es endlich um die Menschen gehen, nicht um die „Befriedigung der Institutionen“, sagt Haack. Es klingt, als habe er eine gehörige Portion Streitlust im Bauch. Seine Bedingung: Er möchte den Job richtig machen, also auch institutionell auf „vernünftigen Boden“ gestellt werden. „Den Briefkastenonkel, wie sich das manche vorstellen, spiele ich nicht.“

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