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Kundus-Affäre: Bomben sollten Taliban-Anführer töten

Neue Enthüllungen legen nahe: Der Angriff auf die Tanklaster bei Kundus galt nicht primär dem Schutz des deutschen Lagers. Vielmehr wollte der deutsche Kommandeur Klein eine Gruppe von Taliban "vernichten".

Anders als bislang behauptet, soll der Luftschlag auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastzüge nicht in erster Linie den Fahrzeugen selbst gegolten haben, sondern der gezielten Tötung einer großen Gruppe von Taliban und ihrer Anführer in deren Umgebung. Dies berichtet die Süddeutsche Zeitung und beruft sich dabei auf den offiziellen und geheimen Nato-Untersuchungsbericht. Demnach wollte der deutsche Kommandeur Georg Klein "die Menschen angreifen und nicht die Fahrzeuge".

Die Debatte über das Bombardement hatte sich zunächst lange um eine mögliche Bedrohung des nahe gelegenen deutschen Feldlagers durch die Tankfahrzeuge gedreht. Doch nun erscheint das zentrale Motiv des Bundeswehr-Oberst für den Befehl für den Bombenabwurf in einem anderen Licht.

Sollten die Informationen der Süddeutschen stimmen, ging es Oberst Klein nicht um den unmittelbaren Schutz des Feldlagers der Deutschen in Kundus vor einem möglichen Angriff der Taliban mit den erbeuteten Tanklastern, sondern ihm ging es demnach vor allem um einen Schlag gegen die Taliban, die mit der Bombardierung entscheidend geschwächt werden sollten. Den Angaben zufolge macht Klein in einem von ihm verfassten Bericht kein Hehl aus seinen Absichten: Es sei ihm darum gegangen, die Taliban zu "vernichten".

Wie aus dem Papier der Nato hervorgeht, auf das sich die Süddeutsche bezieht, lieferte sich die Bundeswehr im Vorfeld des Luftschlags wochenlang Gefechte mit den Taliban, die die Sicherheit der Region Kundus durch Überfälle zusätzlich gefährdet hätten. Vor diesem Hintergrund kommt die Nato beziehungsweise der Oberkommendierende der Internationalen Schutztruppe Isaf, US-General Stanley McCrystal, zu dem Schluss, dass Oberst Klein in der fraglichen Nacht des 4. September der Moment günstig erschienen sei, den Aufständischen einen empfindlichen Schlag zu verpassen.

Wie die Zeitung weiter berichtet, waren laut dem Nato-Bericht 60 bis 80 Taliban aus dem Aliabad-Distrikt sowie ihre Anführer vor Ort. Auch der Informant der Bundeswehr – ein Afghane, der für die Elitetruppe Kommado Spezialkräfte (KSK) arbeiten soll – habe an den Gefechtsstand gemeldet, dass sich ausschließlich "Taliban, deren Sympathisanten oder Familienmitglieder" auf der Sandbank im Kundus-Fluss aufhielten. Auf diese Informationen hatte sich der deutsche Kommandeur verlassen.

Auf dieser Grundlage forderte Oberst Klein schließlich US-Kampfjets mit der tödlichen Fracht an – ohne eine vorherige Warnung der Bevölkerung durch Tiefflüge der Bomber zu erwägen, wie sie von der US-Armee vorgeschlagen worden war.

Die Taliban rechneten offenbar selbst mit einem Bombenanschlag. So zitiert die Süddeutsche eine weitere Passage aus dem Nato-Bericht, wonach die Rebellen ihre Leute vor einem möglichen Luftschlag gewarnt haben. Doch, so heißt es laut SZ in dem Report, "niemand schenkte dem Beachtung".

Angesichts dieser neuen Berichte wächst der Druck auf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Auch bei seinem überraschenden Blitzbesuch des deutschen Lagers am Freitag in Kundus stellte er sich bedingungslos hinter den Bundeswehr-Kommandanten. "Oberst Klein ist ein Mensch, der in dieser Nacht nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat und seine Soldaten schützen wollte", sagte er in Afghanistan. Ähnlich äußerte er sich am Donnerstagabend im ZDF.

Guttenberg hatte am 6. November den Angriff als "militärisch angemessen" bewertet – in Kenntnis des zitierten Nato-Berichts. In der vorigen Woche korrigierte er diese Bewertung. Der Luftschlag sei "nicht militärisch angemessen" gewesen, urteilte er nun nach Durchsicht weiterer Berichte, die ihm nach eigenen Angaben bei seiner ersten Bewertung nicht vorlagen. Wie schon sein inzwischen zurückgetretener Amtsvorgänger Franz Josef Jung (CDU) ist Guttenberg auch wegen des scheibchenweisen Bekanntwerdens von Informationen in die Kritik geraten.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums lehnte es ab, "auf Spekulationen oder Schnipsel zu reagieren, seien sie richtig oder falsch". Es sei nun Aufgabe des Untersuchungsausschusses, die Umstände des Bombardements zu klären. Das Bundestagsgremium will sich am kommenden Mittwoch konstituieren.

Quelle: ZEIT ONLINE, kg

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