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© dpa

Kundus: Jung setzt in Afghanistan auf Clan-Chefs

Experten bewerten den Ansatz des Verteidigungsministers Jung, die Clan-Chefs in Afghanistan einzubeziehen, positiv. Die Debatte über "gemäßigte Taliban" nennen sie irreführend.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will die Sicherheitslage in Nordafghanistan in Zusammenarbeit mit regionalen Clan-Chefs verbessern. „Wir sind auch auf ihre Unterstützung angewiesen“, betonte Jung am Mittwoch in Kundus nach einem Gespräch mit Würdenträgern aus dem Problemdistrikt Chahar Darreh.

Bei dem Treffen Jungs mit Stammesältesten baten die Vertreter der Region um mehr wirtschaftliche Unterstützung. Wenn beispielsweise arbeitslose Jugendliche eine Beschäftigung finden würden, würde sich die Sicherheitslage verbessern. Notwendig seien weitere Investitionen in die Infrastruktur. Jung sagte zu, den bereits seit Jahren stagnierenden Bau einer Brücke über den Kundus-Fluss „in Bälde“ zu realisieren. Die Brücke werde eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen nach Mazar-i-Sharif. „Wir wollen die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen“, versicherte Jung.

Von Kundus aus reiste der Minister in die afghanische Hauptstadt Kabul weiter, wo er sich mit seinem Amtskollegen Abdul-Rahim Wardak traf. Jung verwies darauf, dass die Zahl der Anschläge in Kabul zurückgegangen sei, seit die Stadt an afghanische Sicherheitskräfte übergeben wurde. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour sagte während der Reise: „Wir brauchen nicht mehr Soldaten in Afghanistan. Wir brauchen mehr Jobs.“ Der SPD-Abgeordnete Andreas Weigel wertet das Gespräch mit den Stammesältesten als Beweis dafür, dass sich Deutschland und die internationale Gemeinschaft mehr darauf konzentrieren müssten, die regionalen Machthaber und Gouverneure einzubinden.

Diese Strategie befürwortet auch der Afghanistan-Experte der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Bundeswehrhochschule Hamburg, Michael Staack. Der Begriff „gemäßigte Taliban“ ist irreführend, sagt Staack im Hinblick auf das Gesprächsangebot des US-Präsidenten Barack Obama. Er suggeriere, dass es „halb islamistische, halb liberale Taliban“ gebe, was nicht der Fall sei. Die landesweite Suche nach gemäßigten Taliban mache daher keinen Sinn, vielmehr müsse in der Provinz und auf regionaler Ebene nach Kräften geschaut werden, die eingebunden und dem Einfluss der Taliban entzogen werden könnten. Dabei handele es sich um ein „buntes Spektrum“ von Warlords, die ins Abseits gedrängt wurden, und regionalen Führern, die sich teilweise den Taliban angeschlossen haben. Die Briten hätten diese Strategie teilweise erfolgreich verfolgt, allerdings hätten die USA dann mit Luftangriffen der Gebiete diesen Ansatz konterkariert.

Auch der Soziologe und Afghanistan-Experte der Universität Oldenburg, Michael Daxner, empfindet die neue Diskussion als „irreführend“. Da die Taliban jede Friedensbemühung torpedieren und auf dem Abzug westlicher Truppen bestehen, mache es wenig Sinn für den Westen, mit den Taliban zu sprechen. Vielmehr solle man versuchen, den Taliban nicht weiter neue Leute „zuzutreiben“, indem man beispielsweise die Mohnfelder für den Drogenanbau abbrenne. Stattdessen müsse in ländliches Bildungs- und Berufswesen investiert werden – und das Erreichte müsse notfalls mit Waffengewalt geschützt werden. Der bisherige Fehler des Westens sei gewesen, sich auf den Aufbau des Zentralstaates zu fixieren. Das Treffen Jungs mit Stammesführern sei der richtige Ansatz, da diese die Konfliktschlichter seien. Allerdings dürfe man sie nicht bewaffnen, warnt Daxner, sondern müsse sie „beschützen“.

Die USA schrauben offenbar ihre Erwartungen an die Afghanistan-Mission immer weiterer herunter. Nachdem Obama am Wochenende eingestanden hatte, dass man in Afghanistan militärisch nicht auf der Siegerstraße sei, formulierte US-Verteidigungsminister Robert Gates ein neues Mindestziel. „Ich würde sagen, dass im Mindestmaß die Aufgabe darin besteht, die Taliban von einer erneuten Machtübernahme von einer demokratisch gewählten Regierung in Afghanistan abzuhalten“, sagte Gates am Dienstag (Ortszeit) in einem Interview mit dem Radiosender NPR. Dadurch solle auch verhindert werden, dass Afghanistan sich erneut in einen sicheren Rückzugsort für das Terrornetzwerk Al Qaida und andere Extremisten verwandele. mit AFP/dpa

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