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Kundus-Luftschlag: Guttenberg und seine Flucht nach vorn

Konsequent, entschlossen, mutig: Die deutsche Presse lobt die Kehrtwende des Verteidigungsministers in der Neubewertung des Luftschlags. Kritik und Skepsis sind selten.

Vier Wochen nach seiner ursprünglichen Einlassung, der Luftangriff auf zwei gekaperte Tanklaster nahe Kundus sei "militärisch angemessen" und unvermeidlich gewesen, hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der Bewertung des Bombardements eine radikale Kehrtwende vollzogen: Während der Afghanistan-Debatte am Donnerstag im Bundestag bezechnete er den Luftschlag nun als "militärisch nicht angemessen". Zugleich stellte er sich vor den kommandierenden Oberst Georg Klein, der "zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt habe.

Für seinen Auftritt ernetete der CSU-Politiker Applaus – verhaltenen gar von der Opposition – und Lob vom Bundeswehrverband. Allerdings fordert nicht nur die SPD weitere Erklärungen, vor allem darüber, welche Informationen den Ausschlag Guttenberg zu seiner Neubewertung bewogen habe und wann ihm diese Informationen vorgelegen hätten. Auch die deutsche Presselandschaft lobt und tadelt gleichermaßen, wobei die positive Einschätzung überwiegt.

"Respekt, Herr Minister!", so bringt es die Bild-Zeitung gewohnt knapp auf den Punkt. Guttenberg habe klug gehandelt, als er "jetzt diese klaren Worte fand". So habe er gleich drei für ihn wichtige Fronten befriedet: "Die Rauswürfe von Generalinspekteur und Staatssekretär sind jetzt wasserdicht. Die US-Verbündeten, die den Angriff früh scharf verurteilten, stehen nicht länger als Kameradenschweine da. Und auch die eigene Position, von einem angemessenen Vorgehen zu sprechen, ist rechtzeitig geräumt".

Der Westfälische Anzeiger schränkte allerdings ein, dass der Minister auch eine ganz gehörige Portion Glück gehabt habe. Guttenberg sei erst kurz im Amt, seinem Amtsvorgänger Franz-Josef Jung, "der auch schon nicht genau genug hinsah", hätte man diesen Erklärung nicht durchgehen lassen. "Die gestrige Neubewertung des umstrittenen Luftangriffs auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan ist nämlich in Wahrheit das Eingeständnis eines schweren Fehlers", schreibt die Zeitung aus Hamm.

Geradezu vernichtend fällt das Urteil des Bonner General-Anzeigers aus. Das entschuldigende Wort des Verteidigungsministers komme reichlich spät und sei "das umfassende Eingeständnis von menschlichem Versagen, oberflächlicher Lageeinschätzung, falschen Konsequenzen auf der militärischen Seite". Das allein sei schon schlimm genug. Doch "mindestens genauso bedrückend ist die politische Dimension des Skandals: Bundestag und die Bevölkerung sind systematisch über die Realitäten des Raketenbeschuss getäuscht, ja teilweise belogen worden".

Für das Flensburger Tageblatt ist es dennoch "bemerkenswert, wie offen der Minister Guttenberg seine Einschätzung des Bombardements korrigiert" habe. Mit einer "zackigen Kehrtwende" habe Guttenberg die "Flucht nach vorn" angetreten. Ihm sei aber auch keine Wahl geblieben, habe er doch "die Hoheit über das derzeit heikelste Thema in Deutschland zurückgewinnen" müssen.

Von einer "Flucht nach vorn" spricht auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Damit habe er auf einem "politisch dicht vermimten Gelände" auch selbst indirekt einen Fehler eingestanden, was für den Kommentator aber kein Fehler ist. Dennoch gehe er damit ein gewisses Risiko ein, da der künftige Untersuchungsausschuss sehr genau nachfragen werde, ob Guttenberg nicht schon anhand des Nato-Berichts – und nicht erst mit Hilfe der ihm nachträglich vorgelegten Reports – zu der jetzt vertretenen Auffassung hätte kommen können.

Was wusste Guttenberg wirklich? Hat er die Berichte vor seiner ersten Bewertung auch gründlich gelesen? Oder hat Guttenberg "zum Schutz mancher Soldaten manches überlesen, quasi als Einstiegsgeschenk des neuen Ministers an die Truppe"? Dies fragt sich die Süddeutsche Zeitung, die ihre Skepsis ob der Glaubwürdigkeit des Ministers mit der Berliner Zeitung teilt. "Für Lob ist kein Anlass", schreibt diese. Ganz im Gegenteil: Guttenberg habe sich letzten Endes nicht anders als sein Amtsvorgänger Franz Josef Jung verhalten, in dem er es in Kauf genommen habe, "dass die Wahrheit vertuscht wurde".

Damit verbindet die Berliner Zeitung noch ein ganz anderes Problem. Offenbar habe es Guttenberg versäumt, gleich zu Amtsantritt den Beamten in seinem Ministerium klarzumachen, wer am Bendlerblock das Sagen hat. Er habe nicht von Anfang auf eine "lückenlose Aufklärung" gedrängt und sich zu sehr auf den Apparat verlassen. Dies sei "ein rührender Ausweis von Naivität, aber kein Beleg für die Kompetenz eines Ministers".

Auch die tageszeitung (taz) stellt Guttenbergs Auftritt im Parlament in einen größeren Zusammenhang. Endlich müsse über "Grundsätzliches" geredet werden, nämlich über den Kriegeinsatz der Bundeswehr am Hindukusch. "Hat der Luftschlag dem Kriegsziel gedient, der Stabilisierung von Afghanistan?", fragt die Kommentatorin. Darüber müsse dringend diskutiert werden – und eben nicht nur "über jeweilig aktuelle Fragen".

Besondere Beachtung in den Meinungsspalten der Zeitungen findet auch Guttenbergs Rückhalt für Oberst Klein. Nach Auffassung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung sei der Minister gut beraten gewesen, als er dem für den Luftschlag verantwortlichen Oberst den Rücken stärkte. Denn "hätte der Minister den Stab über ihn gebrochen, bevor ein deutsches Gericht seine Befehle und deren Folgen bewertet hat, wäre der Schaden immens gewesen: Enttäuschung in der Truppe und Mutlosigkeit bei den militärischen Führern hätten sich rasch eingestellt".

Stattdessen, so die Bild, würden die Soldaten "ihren entscheidungsfreudigen Chef noch mehr schätzen". Denn Guttenberg, so schreibt das Blatt weiter, "hält die schützende Hand über den tragischen Oberst, der sich in tiefer Nacht für die Sicherheit SEINER Leute entschied". Nach Meinung des Coburger Tagblatts verhalte sich Guttenberg damit "höchst anständig". Denn er schiebe "nicht einem Soldaten im Kampfgebiet die Schuld für Versäumnisse der bisherigen Politik in die Schuhe".

Ob das allerdings auch politisch klug gewesen sei, das müsse sich laut Flensburger Tageblatt noch zeigen: Schließlich werde "die Opposition den Finger immer wieder in die Wunde legen, wird versuchen, aus der Arbeit im Untersuchungsausschuss Honig zu saugen", oder, wie es die Kieler Nachrichten formulieren, "zu beweisen, dass Guttenberg sich damit selbst der Lüge bezichtigt".

Die norddeutsche Zeitung gibt den Abgeordneten aber noch eine Mahnung mit auf dem Weg: Sie sollten nicht vergessen, dass das Ziel der Aufklärung nicht der Sturz des Verteidigungsministers sein kann. "Politische Ränkespiele auf Kosten der Soldaten im Kampfeinsatz verbieten sich", schreiben die Kieler.

Quelle: ZEIT ONLINE

Karin Geil

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