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Kundus-Untersuchung: Guttenberg soll Kehrtwende begründen

Das Bundeswehr-Bombardement in Afghanistan könnte zu einem Präzedenzfall für die deutsche Justiz werden.

Berlin - Der Bundeswehrverband und die Oppositionsparteien im Bundestag fordern von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eine Begründung für die Neubewertung des Tanklaster-Bombardements bei Kundus. Der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch sagte im ZDF-Morgenmagazin, sein Verband könne die Luftangriffe auf zwei von Taliban gekaperte Tanklaster bei Kundus am 4. September nicht von sich aus bewerten, „weil wir die geheimen Unterlagen nicht kennen“. Er forderte von Guttenberg: „Die Begründung ist nachzuliefern.“ Guttenberg hatte am Donnerstag im Bundestag nach Kenntnisnahme bislang im Ministerium zurückgehaltener Berichte seine Einschätzung korrigiert, der vom deutschen Oberst Georg Klein angeforderte Luftangriff sei militärisch angemessen gewesen. Wegen der Informationspannen war Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU), der als Verteidigungsminister dafür verantwortlich war, in der vergangenen Woche zurückgetreten. Guttenberg hatte zuvor Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert entlassen. Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels sagte dazu: „Für den Rauswurf des höchsten militärischen Beraters und des höchsten zivilen Beamten fehlt nach wie vor jede inhaltliche Begründung.“

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hält die Bombardierung zweier Tanklaster in Nordafghanistan für militärisch nicht angemessen. „Die Bundeskanzlerin teilt die Neubewertung des Bundesverteidigungsministers“, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin. Guttenberg habe sie vor seiner Rede am Donnerstag über die Absicht informiert, seine neue Einschätzung öffentlich mitzuteilen.

Die Bombardierung der Tanklaster bei Kundus auf Befehl von Oberst Klein könnte zu einem Präzedenzfall in der deutschen Nachkriegsjustiz werden. Dass Verteidigungsminister Guttenberg die bis dahin geltende Aussage einer Notwendigkeit des Luftschlages revidiert hat, dürfte für das juristische Verfahren gegen Oberst Klein Konsequenzen haben. Da es für die Bundeswehr keine gesonderte Militärgerichtsbarkeit gibt, dienen deutsche Soldaten auch im Ausland unter den Gesetzen des deutschen Strafgesetzbuches.

Die Staatsanwaltschaft hätte in diesem Fall zu prüfen, ob der Waffengebrauch objektiv notwendig war und eine Notlage vorlag. Durch seine Neubewertung hat der Minister eine Notlage vor Ort und die Notwendigkeit des Angriffes verneint.

Wie aus einer Untersuchung der Militärpolizei in Kundus hervorgeht, hat Oberst Klein zudem juristisch bedeutende Sorgfaltsmaßstäbe zum Abwägen der Situation außer Acht gelassen. Sollte der Fall vor einem deutschen Strafgericht verhandelt werden, droht dem Oberst deshalb eine Anklage wegen fahrlässigen Totschlags. Die Äußerung Guttenbergs, dass sich Oberst Klein in einer kriegsähnlichen Situation befunden habe, läuft jedoch darauf hinaus, diesen Fall nicht nach dem deutschen Strafgesetzbuch zu behandeln, sondern ihn als eine Aktion im Rahmen eines Kriegseinsatzes unter das humanitäre Völkerrecht, früher Kriegsvölkerrecht genannt, zu stellen. Tatsächlich wurde der Fall schon an die Generalbundesanwältin Harms abgegeben. Die prüft nun, ob es sich in Afghanistan tatsächlich um einen nicht internationalen kriegerischen Konflikt handelt, der die Anwendung des humanitären Völkerrechts bedingen würde. Für eine Verurteilung müsste man Oberst Klein dann beweisen, dass er die Tötung einer unverhältnismäßig hohen Zahl von Zivilisten vorsätzlich und billigend in Kauf genommen hat.

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