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Politik: Kunst unter Verdacht Von Bernhard Schulz

Die Vergangenheit vergeht nicht. Wer geglaubt hatte, Deutschland sei mit der Verantwortung für seine unselige Geschichte inzwischen zurande gekommen, wird jetzt eines anderen belehrt.

Die Vergangenheit vergeht nicht. Wer geglaubt hatte, Deutschland sei mit der Verantwortung für seine unselige Geschichte inzwischen zurande gekommen, wird jetzt eines anderen belehrt. Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, hat mit seinen heftigen Vorwürfen die Diskussion um die Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick, genannt Mick, und ihre künftige Präsentation in Berlin erneut angefacht.

Der 59jährige Flick ist ein deutscher Erbe par excellence. Er ist ein Enkel des NS-Wehrwirtschaftsführers Friedrich Flick, der bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen verurteilt wurde – und später zu den Gründerfiguren des bundesdeutschen Wirtschaftswunders zählte. Der Enkel wurde 1975 ausbezahlt, vervielfältigte sein Erbteil und begann, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst aufzubauen, deren Umfang er selbst kaum mehr überblickt. Diese Sammlung soll ab September in Berlin gezeigt werden, in einer auf Kosten des Sammlers umgebauten Halle, aber betreut und im laufenden Betrieb finanziert von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Dies alles hatte bisher den Segen der Bundesregierung und des Regierenden Bürgermeisters. Natürlich wurde die Familiengeschichte Flicks in allen Facetten beleuchtet – nicht so sehr von der Politik, doch in der Öffentlichkeit. Die direkte Linie indessen, die manch einer von den Verbrechen des alten Flick zur Sammlung des jungen ziehen wollte, wurde allgemein als „Sippenhaft“ zurückgewiesen. Aber ein gewisses Unbehagen an der Verwandlung des Namens Flick vom Synonym für NS-Profit zum strahlenden Inbegriff des mäzenatischen Kunstsammlers bleibt.

Genau das meint Salomon Korn mit seinem Vorwurf, es gehe Flick „um eine Art Weißwäsche von Blutgeld in eine gesellschaftlich akzeptable Form des Kunstbesitzes“. Starke Worte, die eine mittelbare Haftung des Enkels für die Untaten des Großvaters unterstellen. Der Vorwurf des „Blutgeldes“ meint, dass auch Mick Flicks Vermögen noch mit dem Blut und Schweiß der Zwangsarbeiter erkauft sei. Nun ist es aber so, dass der Enkel sein Vermögen, mit wie viel Startkapital auch immer, selbst vervielfacht hat. Vor allem aber ist es das Vertrackte am anonymen Geld, dass es seine Herkunft nicht verrät, sondern stets Teil ist eines riesigen, nicht immer aus völlig reinen Quellen gespeisten Kreislaufs. Wer die Herkunft aller hochnoblen Vermögen dieser Erde untersuchen wollte, versänke bald in den Abgründen der Geschichte, Mord, Raub und Ausbeutung inbegriffen.

Etwas anderes ist es, darüber auch in aller Offenheit zu reden. In Deutschland hat sich – spät, dafür umso ernsthafter – eine Kultur der schonungslosen Erinnerung herausgebildet, die auch im Falle Flick nicht aufgegeben werden darf. Der Sammler selbst hat sich dazu stets bekannt. Gleichwohl – Aufklärung lautet das Gebot, wenn die Sammlung Flick demnächst in aller Unschuld ihrer Kunstwerke gezeigt wird. Da hat sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bislang allzu stark hinter der Vernünftigkeit ihrer Argumente verschanzt. Es sind eben auch Emotionen, die zählen: Emotionen, wie sie Salomon Korn artikuliert, wenn auch in überzogenen Worten.

Michael Blumenthal, der besonnene Direktor des Jüdischen Museums Berlin, hat das Nötige gesagt: Es spricht nichts gegen die Ausstellung in Berlin – wenn Flick sich zugleich mit der Preußen-Stiftung nachdrücklich um die Aufklärung dieses, seines Stücks deutscher Geschichte bemüht.

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