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Politik: Kurz vor der WM Streit um rechte Gewalt

Heftige Debatte über Fremdenfeindlichkeit / Polizei: 14 Angriffe im ersten Quartal in Brandenburg

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Berlin - Drei Wochen vor der Fußball- WM ist die Debatte über Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland voll entbrannt. Dabei wurde die drastische Warnung des früheren Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye an dunkelhäutige Touristen, bestimmte Regionen in Brandenburg wegen rechtsextremer Schläger zu meiden, kontrovers diskutiert.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte Heyes Äußerungen „verkürzt“. Für die Sorge des Sprechers der früheren rot-grünen Regierung gebe es zwar mancherlei Anlass, seine Einlassungen würden dem Thema aber nicht gerecht, sagte Schäuble auf einer internationalen Veranstaltung zur Fußball-WM am Donnerstag in Berlin. SPD-Fraktionschef Peter Struck nannte die Äußerungen kurz vor dem Beginn der WM „überhaupt nicht hilfreich“.

Der Ministerpräsident von Sachsen- Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Ich halte die Äußerungen für überzogen und nicht hilfreich.“ Den von mancher Seite in diesem Zusammenhang geäußerten Vorwurf, die Politik unterschätze das Thema Ausländerhass, nannte Böhmer „abwegig“.

Der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir sagte dagegen dem Tagesspiegel, er bedauere, dass Heye seine Äußerungen „unter dem öffentlichen Druck“ relativiert habe. „Er spricht die Wahrheit aus“, sagte der türkischstämmige Abgeordnete, „es gibt in Deutschland eindeutige No-Go-Areas für Schwarze.“ Der EU-Parlamentarier kritisierte, dass vereinzelte Gewalttaten von Migranten in der Öffentlichkeit in Deutschland eine viel größere Rolle spielten als „die Gewalt von Rechtsradikalen als Massenerscheinung“. „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen“, sagte Özdemir.

Auch der Vorsitzende des Bundestags- Innenaussschusses, Sebastian Edathy, sagte, es sei keine Stigmatisierung, auf Stadtteile und Bundesländer mit einer Häufung von rechtsextremen Übergriffen hinzuweisen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) unterstützte Heye ebenfalls. Zwar sei die Wortwahl sehr zugespitzt gewesen, sagte der AI-Beauftragte für die Arbeit gegen Rassismus, Stefan Keßler. Dennoch sei es aber „hilfreich“, dass Heye „den Finger in die Wunde gelegt“ habe.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, sagte dem Tagesspiegel: „Ich würde zwar Begriffe wie No-Go-Areas nicht benutzen. Aber ich würde es sehr begrüßen, wenn wir mit einer gründlichen Analyse und einer umfassenden Diskussion der Situation anfangen. Wir müssen uns intensiv damit auseinander setzen, denn diese Problematik wird nicht plötzlich einfach verschwinden.“ Die Statistiken zeigten eindeutig, dass die rechten Gewalttaten zunähmen, aber es werde immer weniger dagegen getan. Wenn es den vermutlich rassistischen Überfall in Potsdam und die daraus resultierende Debatte nicht gegeben hätte, sagte der GdP-Vorsitzende, „wären wohl auch die 19 Millionen Euro für Projekte gegen Rechtsextremismus weg gewesen“.

Die offizielle Zahl rechter Gewalttaten in Brandenburg scheint indes zu sinken. Nach Informationen des Tagesspiegels registrierte die Polizei in den ersten drei Monaten dieses Jahres 14 rechte Gewalttaten. Im ersten Quartal 2005 waren es 21 gewesen. Insgesamt wurden in Brandenburg von Januar bis März 231 rechte Straftaten festgestellt, 48 weniger als im ersten Quartal 2005. Sicherheitsexperten warnen allerdings, die aktuellen Zahlen seien nur vorläufig und würden vermutlich noch steigen. Der Brandenburger Verein Opferperspektive, der von rechten Schlägern angegriffene Menschen betreut, hat bis Anfang Mai bereits 35 einschlägige Attacken aufgelistet.

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