zum Hauptinhalt

Politik: Kurzer Prozess

Irakische Regierung drängt auf rasche Verurteilung des Ex-Diktators – und hofft auf Popularitätsgewinn

Widersprüchliche Berichte und Ankündigungen aus Bagdad über den geplanten Prozess gegen den vor mehr als zwei Jahren gestürzten irakischen Diktator Saddam Hussein sind deutliche Hinweise auf heftige Machtkämpfe hinter den Kulissen. Die Regierung musste inzwischen die Ankündigung von Laith Kubba, dem in den USA ausgebildeten Sprecher des Interim-Premiers Ibrahim al Dschaafari zurückziehen, dass Saddam binnen zwei Monaten vor Gericht gestellt würde. Kubba räumte ein, dass es dem für die Aburteilung der Angehörigen des gestürzten Regimes zuständigen Sondertribunal – und nicht der Regierung – obliege, Abläufe und Zeitpunkte der Verfahren bekannt zu geben. Und ein Sprecher des Tribunals bestätigte, dass weder der Beginn des Prozesses gegen Saddam feststünde, noch – wie Kubba behauptet hatte – ein Beschluss gefasst worden wäre, die Anklage gegen den Ex-Diktator auf nur zwölf Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu konzentrieren.

Seit Saddams Festnahme durch US- Marines im Dezember 2003 stehen irakische Führer unter massivem Druck der Bevölkerung, den Despoten und seine elf engsten Komplizen in US-Gefangenschaft der gerechten Strafe für gigantische Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu überführen. Die von Schiiten und Kurden dominierte Übergangsregierung glaubt, eine Verurteilung Saddams könnte ihr bei den für Mitte Dezember geplanten Parlamentswahlen einen entscheidenden Popularitätsgewinn verschaffen. Auch Dschaafaris Vorgänger Ijad Allawi hatte im Dezember mit Blick auf die ersten Parlamentswahlen Ende Januar einen raschen Prozess gegen Saddam angekündigt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

Hinter den Kulissen tobt ein heftiger Machtkampf. Die Regierung erhofft sich durch die Konzentration auf zwölf „voll dokumentierte Fälle“ ein rasches Urteil. Dabei sollte die Anklage mit einem bisher wenig bekannten Massaker in dem Schiitendorf Dujail, nördlich von Bagdad, beginnen, bei dem Saddam im Juli 1982 nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf ihn 160 Männer ermorden ließ.

Das mit amerikanischer Hilfe gegründete Sondertribunal besteht aus 30 Richtern, von denen aus Sicherheitsgründen nur der Name eines einzigen bekannt ist. Im März war einer der Richter ermordet worden. Insgesamt arbeiten rund 400 Personen an dem Tribunal, darunter internationale Juristen in Beraterfunktion. Irakische Richter und Staatsanwälte hatten von internationalen Experten in London eine Sonderausbildung erhalten.

Birgit Cerha[Nikosia]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false