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Kuwait feiert gerade den 20. Jahrestag der Befreiung von der irakischen Besatzung. Rebellisch ist die Bevölkerung derzeit nicht.

© AFP

Kuwait: Am Golf herrscht angespannte Ruhe

Schätzungsweise 300.000 Ägypter sind in Kuwait als Bauarbeiter, in der Verwaltung oder als Ingenieure beschäftigt Als Gastarbeiter geduldet, dürfen sie nicht demonstrieren oder sich politisch betätigen - anderenfalls droht die Abschiebung

Der Mann am Visa-Schalter des Flughafens von Kuwait ist sofort an seinem ägyptischen Akzent zu erkennen. Er kommt aus Giza, dem auf der westlichen Nilseite gelegenen Teil der Hauptstadt Kairo, und arbeitet seit fünf Jahren in Kuwait. Wie hunderttausende Ägypter, die vor der Armut in ihrer Heimat geflohen sind und in den reichen Golfstaaten ihr Geld verdienen. Auch die anderen drei Kollegen am Visa-Schalter sind Landsmänner vom Nil. Angesprochen auf die Revolution in Kairo, lächelt der Ägypter mit glänzenden Augen. Mehr zu sagen, traut er sich nicht, er blickt vielsagend an das Ende der Schalterreihe, vor der der kuwaitische Vorgesetzte sitzt, der alle Papiere am Ende abzeichnet.

Es sind schätzungsweise 300.000 Ägypter, die in Kuwait als Bauarbeiter, in der Verwaltung oder als Ingenieure arbeiten. Als Gastarbeiter geduldet, dürfen sie nicht demonstrieren oder sich politisch betätigen. Als im April 2010 eine Gruppe von etwa 30 der schätzungsweise 300 000 in Kuwait lebenden Ägypter zusammenkam, um ein Unterstützungskomitee für den Friedensnobelpreisträger und Oppositionspolitiker Mohammed el Baradei für die kommenden Präsidentschaftswahlen zu gründen, wurden sie festgenommen. Ein Großteil wurde nach Ägypten abgeschoben, was die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch heftig kritisierte. Anders als in anderen arabischen Ländern gibt es daher auch vor der ägyptischen Botschaft in Kuwait- Stadt keine Demonstrationen, welche den Sturz von Präsident Hosni Mubarak fordern und die revoltierenden Landsleute zu Hause moralisch unterstützen.

Das harte Durchgreifen soll verhindern, dass der Funke der Rebellion auf Kuwait überspringt. Das Land bereitet sich gerade auf die Feiern zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit von Großbritannien und den 20. Jahrestag der Befreiung von der kurzen irakischen Besatzung vor, die für Ende Februar geplant sind. Dabei scheint Kuwait, ebenso wie die meisten Golfstaaten, die dank ihrer Einkünfte aus Erdöl und Erdgas als Wohlfahrtsstaaten funktionieren, auf den ersten Blick wenig anfällig für Revolten. Jeder der etwa eine Million Kuwaiter genießt kostenlose Krankenversorgung und Ausbildung. Zur Hochzeit gibt es ein Stück Land und das Geld für den Bau eines Hauses vom Staat. Die meiste Arbeit im Land übernehmen die etwa zwei Millionen Ausländer, die keinerlei Rechte besitzen. Da 95 Prozent der arbeitenden Kuwaitis beim Staat angestellt sind, gibt es für sie kaum Anreize, gegen dieses System zu revoltieren. Es gebe aber immer Streit um die Umverteilung des Einkommens aus Bodenschätzen, erklärt Gregor Meierin, der als Regierungsberater in der Region tätig ist und in Kuwait lebt.

Eine unmittelbare Auswirkung der Ereignisse in Tunesien und Ägypten sei die Entscheidung des Emirs, jedem Kuwaiti einmalig 1000 Dinar (etwa 2600 Euro) auszuzahlen und für 14 Monate Grundnahrungsmittel umsonst abzugeben, sagt Meierin dem Tagesspiegel. Außerdem holte die Regierung alle Kuwaitis, die sich beim Ausbruch der Revolte in Ägypten aufhielten, kostenlos mit der nationalen Fluggesellschaft nach Hause. Diese Sofortmaßnahmen sollen unmittelbar die Gemüter beruhigen. Meierin glaubt jedoch, dass die Ereignisse in Tunesien und Ägypten mittelfristig die qualitative Umverteilung in den Erdölstaaten beschleunigen werden. „Die Frage ist doch, ob ein fauler Mitarbeiter genauso viel verdienen soll wie ein fleißiger, ob ausländische Angestellte immer weniger verdienen werden als Einheimische.“ Denn es sei in Tunesien und Ägypten doch nicht allein um Armut gegangen, sondern um gute und gerechte Regierung und Verwaltung sowie Freiheiten. Dem Beispiel Dubais folgend hätten viele Golfstaaten bereits damit begonnen, Verantwortlichkeit und Arbeitsteilung in der Regierung und Verwaltung zu verstärken. Diese Reformen könnten durch die Ereignisse eher beschleunigt werden.

Positiv für die Stabilität der Regime in der Golfregion wirkt sich außerdem der Geldsegen aus, den diese Länder bis 2008 aufgrund der Höchstpreise für Erdöl und Erdgas verzeichnen konnten. „Hiermit wurden Infrastrukturprojekte angeleiert und der Wohnungsbau vorangetrieben“, sagt Meiering. Außerdem sei mehr in der Region selbst investiert worden als früher, weil die Anlagemärkte in den USA und Europa mit der Finanzkrise weniger attraktiv geworden seien.

Dennoch hat jeder Golfstaat seine eigenen politischen Schwächen. Am ehesten sieht Meiering politischen Unmut in Bahrain aufziehen. Das Land habe ähnlich wie Tunesien eine gut gebildete, starke Mittelschicht, die Freiheiten seien in den vergangenen Jahren aber eingeschränkt worden. Zudem schüre das Königshaus den Gegensatz zwischen den herrschenden Sunniten und der Bevölkerungsmehrheit der Schiiten. Sunnitische Ausländer bekämen schnell die Staatsbürgerschaft, was für Unmut bei den alteingesessenen schiitischen Familien sorge.

In Kuwait ist das explosivste Problem die Lage der Menschen ohne Staatsbürgerschaft, Bidun genannt. Diese etwa 400 000 Personen stammen zumeist aus Beduinenstämmen, die bei der jeweiligen Staatsgründung auf dem Staatsgebiet Kuwaits und Bahrains lebten, aber nie die Staatsbürgerschaft bekamen. Damit kommen sie auch nicht in den Genuss der kostenlosen medizinischen Versorgung oder Schulbildung. Sie fordern bisher vergeblich die Gleichstellung mit Kuwaits Staatsbürgern.

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