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Politik: Länder prüfen Nachkauf von Tamiflu

Berlin - Die Vorräte der Bundesländer mit antiviralen Medikamenten, um sich auf eine mögliche weltweite Grippeepidemie vorzubereiten, werden noch einmal überprüft. Dazu treffen sich Gesundheitsminister der Bundesländer am kommenden Donnerstag in Berlin zu einer außerordentlichen Sitzung.

Berlin - Die Vorräte der Bundesländer mit antiviralen Medikamenten, um sich auf eine mögliche weltweite Grippeepidemie vorzubereiten, werden noch einmal überprüft. Dazu treffen sich Gesundheitsminister der Bundesländer am kommenden Donnerstag in Berlin zu einer außerordentlichen Sitzung. Nach Tagesspiegel-Informationen gibt es Hinweise, dass die Länder möglicherweise mehr Arzneien als ursprünglich geplant ankaufen. Bisher haben sie mehr als acht Millionen Dosen der Arzneimittel Tamiflu (Roche) und Relenza (GlaxoSmithKline) geordert. Die Medikamente gelten bei einer Pandemie, die durch einen mutierten Vogelgrippe-Virus ausgelöst werden könnte, als Mittel, die den Krankheitsverlauf um anderthalb Tage verkürzen und Komplikationen mildern. Ob sie tatsächlich auch die Sterblichkeit verringern können, ist bisher nicht nachgewiesen.

Der größte Teil der Mittel ist bereits ausgeliefert und zentral im Saarland eingelagert. Das für Infektionskrankheiten zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) allerdings drängt auf den Kauf von 15 bis 16 Millionen Dosen. Für mindestens 20 Prozent der Bürger müsse es entsprechende Vorräte geben, sagte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher dem Tagesspiegel. Das fordert auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Bislang wird die Empfehlung nach Kenntnis des RKI aber nur von Nordrhein-Westfalen eingehalten und mit 30 Prozent sogar übertroffen. Anderswo liege die Quote noch bei unter neun, im Schnitt bei etwas über zehn Prozent.

Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Gesundheitsminister Gerry Kley (FDP), wundert sich über das Vorgehen der Gesundheitsministerin. „Es ist etwas ungewöhnlich, wenn jemand, der sich finanziell nicht an den Kosten für die Bevorratung beteiligt, solche Forderungen erhebt“, sagte Kley dem Tagesspiegel. Der Bund habe gerade 20 Millionen für die Impfstoffforschung bereitgestellt, die Bundesländer aber hätten schon mehr als 200 Millionen Euro für die Arzneivorräte ausgegeben.

Am Donnerstag wollen sich die Gesundheitsminister der Länder die Berechnungen des RKI vorlegen lassen – samt der Argumente, warum Vorräte für 20 Prozent der Bevölkerung nötig sind. „Natürlich wird sich kein Bundesland seiner Verantwortung für seine Bürger entziehen“, sagt Kley. „Aber es sollte jetzt keinen Wettbewerb geben, wer die größten Vorräte anlegt. Schließlich müssen die Länder dafür Geld des Steuerzahlers in die Hand nehmen, und dann muss man schon sehr genau begründen können, wieso das nötig ist.“ Sachsen-Anhalt hat derzeit nur einen Vorrat, der für 5,6 Prozent der Bevölkerung reicht, und dafür rund zwei Millionen Euro ausgegeben.

Auch die Berliner Gesundheitsbehörde schließt eine Aufstockung ihres Arzneivorrats nicht aus. „Sollten sich alle Länder darauf einigen, mehr anzuschaffen, dann wird auch Berlin dafür Geld zur Verfügung stellen“, sagt die Sprecherin der Senatsgesundheitsverwaltung, Roswitha Steinbrenner. Zurzeit sind 245 000 Therapiedosen eingelagert, genug für 7,2 Prozent der Berliner.

Am Donnerstag wird Bundesministerin Schmidt ihre Länderkollegen noch einmal ins Gebet nehmen. Rechtlich einwirken könne der Bund auf die Vorratshaltung der Länder aber nicht, sagt ein Ministeriumssprecher. „Das ist unser föderales System, und das kann man gut finden oder auch nicht.“ Auch beim RKI klingt Resignation an. Man habe auf die nötige Quote „reichlich hingewiesen“, sagt Glasmacher. „Die Länder sind für den Infektionsschutz zuständig. Wenn sie anders rechnen als wir, müssen sie es auch vertreten.“

Sollten die Länder tatsächlich nachbestellen, müssten sie mit längeren Wartezeiten rechnen. So hat der Hersteller GlaxoSmithKline rund 50 Staaten auf der Warteliste für Relenza. „Wir erweitern zwar unsere Produktionskapazitäten, aber wann solche Nachlieferungen bearbeitet werden, können wir nicht sagen“, so ein Glaxo-Sprecher. Auch Roche hat inzwischen Wartelisten. Aber: „Falls die Bundesländer nachordern, können wir noch bis Ende des Jahres liefern“, sagt Sprecher Hans-Ullrich Jelitto.

Laut Rahmenkaufvertrag, den die Länder im Juni 2005 mit den Herstellern vereinbarten, kostet eine Therapieeinheit (zehn Kapseln)Tamiflu 15 Euro. Eine Einheit Relenza, das inhaliert werden muss, kommt auf 12 Euro. Zuzüglich Mehrwertsteuer.

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