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Der Bundesrat in Berlin. Bund und Länder reden demnächst über das 2019 auslaufende Finanzausgleichssystem.

© Kai-Uwe Heinrich

Länderfinanzausgleich: Der Wechsel beginnt

Der Süden zahlt, vor allem Berlin profitiert – jetzt wird über Reformen nachgedacht. Auch auf der Seite der Nehmerländer beginnt ein Umdenken.

Berlin - Wer will das schon: Auf Platz 2 starten, auf Platz 5 durchs Ziel? Und wer wollte das nicht: Auf Platz 11 beginnen, am Ende aber Platz 3? Der eine Starter heißt Bayern, der andere Berlin, das Spiel heißt Länderfinanzausgleich. Da rollt die Hauptstadt das Feld von hinten auf. Ähnlich wie den Bayern geht es auch den anderen Zahlerländern Baden-Württemberg und Hessen. Kein Wunder also, dass die föderale Umverteilung für süddeutsche Politiker ein stetiges Ärgernis ist, auch wenn es letztlich um so viel Geld gar nicht geht. Der Länderfinanzausgleich, über den seit Jahrzehnten gestritten wird, immer wieder auch in Karlsruhe, hat ein jährliches Volumen von etwa sieben Milliarden Euro, und was ist das schon bei Gesamtstaatsschulden von 1,5 Billionen. Aber ohne den Ausgleich, rechnen die süddeutschen Finanzminister gerne vor, könnte das Zahlertrio schuldenfrei sein. Theoretisch jedenfalls.

Den süddeutschen Ärger nährt auch, dass der Finanzausgleich zu einem erklecklichen Teil nichts anderes ist als eine Hauptstadtsubvention. Denn 42 Prozent der Summe flossen zuletzt nach Berlin. Wie sehr die Hauptstadt von der Umverteilung profitiert, zeigen die Zahlen: Bei der Steuerkraft liegt sie zunächst eben nur an elfter Stelle der Länder und kommt auf 75 Prozent des Durchschnitts. Nach allen Stufen des Ausgleichs zwischen den Ländern steht Berlin an dritter Stelle mit 119 Prozent. Nimmt man dann noch die zusätzlichen Zahlungen des Bundes an schwache Länder hinzu, kommt Berlin am Ende auf Platz eins (noch vor dem reichen Hamburg) und auf 139 Prozent des Finanzkraftdurchschnitts aller Länder.

Arm ist die deutsche Hauptstadt also keineswegs – dank süddeutscher Solidarität. Bayern dagegen fällt beim reinen Länderfinanzausgleich (ohne die Bundeshilfen) von 128 Prozent der durchschnittlichen Steuerkraft auf 102,5 Prozent, Baden-Württemberg rutscht von 113 auf 100 Prozent, Hessen von 127 auf 103 Prozent. Der Grund dafür ist vor allem ein Stadtstaatenprivileg: Der Finanzausgleich wird weitgehend nach Einwohnern berechnet, im Falle Berlins, Bremens und Hamburgs wird die Einwohnerzahl aber mit 1,35 multipliziert. „Einwohnerveredelung“ nennt man das. Ein Drittel mehr gibt es, weil man den drei Städten zugesteht, dass sie höhere staatliche Kosten haben als Flächenländer. Das aber war schon immer umstritten, und wenn Bund und Länder demnächst anfangen, das 2019 auslaufende Finanzausgleichssystem neu zu verhandeln, dann könnte das Privileg beschnitten werden. Zumal auch das ohnehin finanzkräftigste Land, die Hansestadt Hamburg, dadurch immens profitiert.

Die Einwohnerzahl sei kein hinreichendes Kriterium für die Finanzverteilung, meint etwa Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU). Die Südländer hätten wegen ihrer Wirtschaftskraft auch einen hohen Investitionsbedarf bei der Infrastruktur, um ihre Spitzenpositionen halten zu können. Eine deutliches Abschmelzen der „Einwohnerveredlung“ sei daher geboten, allenfalls bei einer Länderfusion (im Berliner Fall mit Brandenburg) könne man, sozusagen als Belohnung, ein wenig langsamer vorgehen. Was Schäfer stört, ist der hohe Nivellierungsgrad des bestehenden Finanzausgleichs und die Tatsache, dass sich Mehreinnahmen praktisch nicht rentieren: Bei den starken Ländern gehen sie zum Großteil über den Finanzausgleich wieder verloren, bei den schwächeren reduzieren sie die Zahlungen aus dem Ausgleich. Diesen „Fehlanreiz“ müsse man beseitigen, sagt Schäfer, und zwar über höhere „Selbstbehalte beim Zuwachs der eigenen Wirtschaftskraft“. Nur unter diesen Prämissen könne von den Geberländern auch künftig ein hohes Maß an finanzieller Solidarität erwartet werden.

Hilfe aus Stuttgart, wo bislang das Lied vom Leid der Zahlerländer am lautesten gesungen wurde, können die schwächeren Länder nach dem Regierungswechsel kaum erwarten. Auch Grün-Rot in Baden-Württemberg will eine Reform, hält das System voller falscher Anreize und dringt auf einen zügigen Beginn der Verhandlungen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann gilt ohnehin als Verfechter einer weitreichenden Länderautonomie und fordert zum Beispiel mehr eigene Steuerrechte für die Landtage und Landesregierungen. Das steht so auch im Koalitionsvertrag. Kretschmann mag zwar etwas leiser klingen, in der Sache wird der Grüne aber so hart auftreten wie seine CDU-Vorgänger. Vielleicht ein Grund, dass Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) seine Ankündigung, die Südschiene sei gebrochen, flugs wieder zurücknahm. Zumal die Haltung der neuen Koalition in Stuttgart auf SPD und Grüne im Bund abfärben dürfte, die bislang den Zahlerländern weniger zuneigten, weil diese seit Jahren schwarz-gelb regiert waren (und im Falle Bayerns und Hessens auch noch sind).

Freilich beginnt auch auf der Seite der Nehmerländer ein Umdenken. So spricht sich auch der schleswig-holsteinische Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) für mehr Länderautonomie aus. Er will bei der Einkommens- und Körperschaftssteuer einen eigenen Landeszuschlag erheben können, was man in Stuttgart, München und Wiesbaden gern hören dürfte, denn bislang stieß die Forderung der starken Länder nach mehr Autonomie bei den schwachen wie auch beim Bund auf taube Ohren. Wiegard kann sich sogar vorstellen, dass Verbrauchssteuern regional unterschiedlich sind – in anderen Staaten sei das ja auch möglich. Und wie Schäfer im reichen Hessen möchte Wiegard aus dem klammen Norden einen höheren Selbstbehalt der Länder bei einer Steigerung der Wirtschaftskraft. Andernfalls, glaubt er, sei die Schuldenbremse des Grundgesetzes nicht einzuhalten. Das Motto des grün-roten Koalitionsvertrags im Südwesten könnte so auch für den Länderfinanzausgleich gelten: Der Wechsel beginnt.

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