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Geht nicht. Wenn es um Geld geht, stehen sich Michael Müller, der Regierende Bürgermeister von Berlin, und Horst Seehofer, Ministerpräsident von Bayern, als Kontrahenten gegenüber

© dpa

Länderfinanzausgleich: Horst Seehofer droht Berlin mit Ultimatum

Die Hauptstadt ist größter Nutznießer des Länderfinanzausgleichs. Bayern will weniger zahlen und fordert stattdessen den Bund auf, in die Bresche zu springen. Der aber will das nicht – dafür hat er mehrere Gründe.

Jahreszeitliche Ruhe hat sich über die Verhandlungen von Bund und Ländern über ihre künftigen Finanzbeziehungen gelegt. Die Beteiligten gönnen sich, nachdem sie das Etappenziel – mindestens Eckpunkte für einen neuen Finanzausgleich bis Mitte Dezember 2014 – verfehlt haben, ein Erschöpfungspäuschen. Erst nach der Wahl in Hamburg am 15. Februar ist mit weiteren Schritten zu rechnen.

Untergründig aber gehen die Gespräche weiter. Vor allem die drei Hauptgeberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen pochen weiterhin auf Entlastungen, auch Nordrhein-Westfalen sieht sich im bestehenden System grob benachteiligt. Deren Regierungen repräsentieren die Hälfte der Bevölkerung; die schwächere Hälfte dagegen hat wenig Interesse an gravierenden Veränderungen und schon gar nicht daran, nach 2019 (dann läuft die aktuelle Regelung aus) weniger Geld zu bekommen. In solchen Situationen wandern die Blicke in den Landeshauptstädten gern Richtung Berlin.

Im Fall des Finanzausgleichs sogar gleich zweifach. Denn da ist die Kasse des Bundes, aus Ländersicht üppig gefüllt. Und da ist die Kasse des Landes Berlin. Die Hauptstadt ist, zumindest nach Ansicht einiger Länderchefs, gut bedient. Zu gut vielleicht. Einer wie Horst Seehofer macht da eine einfache Rechnung auf: Eine Entlastung Bayerns ist für den Ministerpräsidenten in München denkbar, wenn der Bund einfach mehr direkt an Berlin überweist. Ganz pragmatisch. Von den 8,5 Milliarden, die 2013 im direkten Länderfinanzausgleich flossen, kamen 4,3 Milliarden Euro aus Bayern. Für 2014 rechnet der bayerische Finanzminister Markus Söder (auch von der CSU) gar mit mehr als fünf Milliarden. Eine Milliarde Euro weniger ist das Ziel, also letztlich eine Deckelung der Summe, welche auf die Zahlerländer entfällt – in Stuttgart und Wiesbaden geht man da mit.

Berlin kamen 3,3 Milliarden Euro zugute

Von diesem Länderfinanzausgleich kamen gut 3,3 Milliarden Euro Berlin zugute. Über beide Hauptstufen des Finanzausgleichs (also Umsatzsteuerverteilung und Länderfinanzausgleich) hinweg war das Land Berlin 2013 mit einem Plus von 963 Euro je Einwohner Hauptprofiteur, Bayern mit einem Minus von 487 Euro Hauptzahler (wobei Hessen knapp dahinterliegt). „Die Forderung, dass der Bund sich stärker für Berlin engagiert, ist zwingend“, sagt Seehofer.

Komme es zu keiner Entlastung seines Landes auf diesem Weg, dann „unterschreiben wir nicht“. Dieses Ultimatum gab der bayerische Ministerpräsident der Kanzlerin und seinen Länderkollegen mit ins neue Jahr. Aber geht das so einfach, wie man es sich in München vorstellt – indem man irgendwie mehr Bundesmittel via Finanzausgleich in den Hauptstadthaushalt lenkt?

Einer der Kenner des Finanzausgleichs hält das nicht für machbar. Hubert Schulte hat als Staatssekretär in allen drei Stadtstaaten gedient und beobachtet und kommentiert das Geschehen rund um die Bund-Länder-Finanzen weiter mit großem Interesse. Er kann sich nicht vorstellen, wie noch mehr Bundesgelder an Berlin verteilt werden könnten, um dadurch eine Entlastungswirkung im Länderfinanzausgleich zu bewirken. Der sei ein reiner Einnahmenausgleich, Ausgaben spielten keine Rolle. Insofern erhalte Berlin die Finanzausgleichsleistungen gar nicht für die Hauptstadtfunktion, sondern ausschließlich als Ausgleich für die geringere Steuerkraft. Im Übrigen werde die Hauptstadtfunktion bereits im Rahmen des Hauptstadtvertrags abgegolten. Einen Spielraum, das auszuweiten, sehen weder die Bundesregierung noch der Berliner Senat. Schon gar nicht in der Höhe, die man sich in München vorstellt. Und weitere „hauptstadtbedingte“ Lasten, die der Bund ersetzen könnte, haben Seehofer und Söder nicht aufgezählt.

Auch aus der Wirtschafts- und Finanzlage Berlin lassen sich laut Schulte keine Argumente ableiten, die eine Sonderregelung für Berlin begründen könnten. Zwar ist die Wirtschaftskraft deutlich schwächer als die der beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen, aber weitaus höher als die der Ost-Länder. Ähnlich sieht es bei der Steuerkraft aus. „Insofern lässt sich daraus eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Ländern nicht rechtfertigen“, betont Schulte.

Eine Möglichkeit ist die Einwohnerveredelung

Ein Ansatzpunkt könnte die sogenannte Einwohnerveredelung sein – also die höhere Gewichtung (mit 135 Prozent) der Einwohnerzahl der Stadtstaaten bei der Berechnung des Ausgleichs, ein Mittel, um strukturell bedingt höhere Ausgaben von Großstädten zu berücksichtigen. Die Höhe ist umstritten, das Prinzip nicht – auch das Bundesverfassungsgericht stützt es. Die Idee, diese Einwohnerwertung für Berlin zu streichen und die im Länderfinanzausgleich dann fehlende Summe (es wären laut Schulte derzeit wohl 2,5 Milliarden Euro) irgendwie durch Bundesmittel zu ersetzen, lehnt die Bundesregierung ab. Schon 2013 hat das Bundesfinanzministerium festgestellt, dass dieser Schritt gegen das Grundgesetz verstoßen würde. Die Begründung: Es gebe ein „Gleichbehandlungsgebot für den Bund im Verhältnis zu den Ländern“. Ein Sonderstatus Berlins wäre demnach nur möglich, wenn das Land zu einer Art Bundesdistrikt gemacht würde. Unklar ist jedoch, ob das ginge – der Artikel 79 der Verfassung verbietet es nämlich, die „Gliederung des Bundes in Länder“ aufzuheben, was aber wohl der Fall wäre, wenn ein Gebiet sozusagen zum Nichtland erklärt würde.

Schultes Fazit lautet daher: „Die Befürworter einer Sonderregelung für Berlin suchen nach fragwürdigen Umwegen, um die verfassungsrechtlichen Barrieren umgehen zu können.“ Er hält es auch für grundgesetzwidrig, den vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern und den horizontalen zwischen den Ländern für einen Sonderfall Berlin einfach zu vermischen. Das habe auch das Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt. Zudem warnt Schulte davor, dass Berlin in ein „bilaterales Verhältnis zum Bund“ geraten und dann nicht mehr als Teil der Ländergesamtheit agieren könnte. Sonderzuweisungen allein für Berlin statt gleichberechtigter Einbeziehung in den Länderfinanzausgleich „wären ein Schritt zurück in den Status vor der deutschen Einheit“, sagt Schulte. Berlin war vor 1990 nicht in den Länderfinanzausgleich eingebunden und hatte auch keine Stimmen im Bundesrat.

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