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Die Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Simone Peter, in Berlin in der Parteizentrale der Grünen.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Länderrat in Berlin-Wedding: Die Grünen geben sich die Richtung für die Bundestagswahl

Wer wird neben Katrin Göring-Eckardt an der Spitze der Grünen für die Bundestagswahl 2017 stehen? Kann man mit der Union koalieren? Das soll auf dem Länderrat am Samstag in Berlin geklärt werden.

Haben die Grünen das Zeug zur neuen Volkspartei der linken Mitte? Durch seinen sensationellen Wahlerfolg in Baden-Württemberg vor vier Wochen hat Winfried Kretschmann diese Frage wieder auf die Tagesordnung gebracht. Welche Lehren  aus den Landtagswahlen zu ziehen sind, wollen die Grünen an diesem Samstag auf einem kleinen Parteitag in Berlin diskutieren.

Als passendes I-Tüpfelchen zu dem Grünen-Treffen rutschte der baden-württembergische Ministerpräsident nun auch im „Politbarometer“ in der Skala der beliebtesten Politiker auf Rang eins auf. Wenn  Kretschmann beim Länderrat an diesem Samstag in den Uferstudios im Berliner Wedding auftritt, wird der Jubel groß sein.

Schließlich vermittelt er seinen Parteifreunden das Gefühl, dass es wieder aufwärts gehen kann. Noch vor zweieinhalb Jahren hatte sich an genau diesem Ort eine Partei versammelt, die nach ernüchternden 8,4 Prozent  bei der Bundestagswahl vieles in Frage stellte, nicht zuletzt das damalige Spitzenpersonal.

Das Personal wird auch für die Grünen immer wichtiger

Welchen Kurs die  Grünen mit Blick auf die nächste Bundestagswahl 2017 einschlagen werden, ist noch nicht ausgemacht. Die Weichen für das Wahlprogramm werden  in den nächsten Monaten gestellt. Die letzten Landtagswahlen haben eindrücklich  gezeigt, wie groß die Spanne für die Partei momentan sein kann: zwischen 30 Prozent in Baden-Württemberg, wo die Grünen sogar die CDU als stärkste Kraft ablösten, und fünf Prozent in Ländern wie Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Lange vertraten grüne Funktionäre die These, dass es ihren Wählern in erster Linie auf das Programm ankomme und nicht auf das Personal an der Spitze. Doch mittlerweile setzt sich die Erkenntnis durch: Personalisierung spielt auch für die Ökopartei im Wahlkampf eine immer größere Rolle. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der den Wahlkampf seiner Partei leitet, will dem stärker Rechnung tragen. Man müsse starke Inhalte mit Figuren verbinden, sagt er. Kellner gesteht aber auch ein, dass man sich in Berlin einen  Typen wie Kretschmann nicht backen könne.

Katrin Göring-Eckardt wohl Teil de Doppelspitze

Da es auf Bundesebene derzeit weder einen Kretschmann noch jemanden wie den damaligen Vizekanzler Joschka Fischer gibt, der alles überstrahlt, wollen die Grünen wieder mit einer Doppelspitze in die Bundestagswahl ziehen. Wer die  Spitzenkandidaten sein werden,  darüber soll die Basis in einer Urwahl ab dem Herbst entscheiden. Welche Geschichte die Grünen im Wahlkampf erzählen, wird also auch von den Personen an der Spitze abhängen.

Getreu der grünen Prinzipien muss dabei mindestens eine Frau gewählt werden.

Damit gilt es als so gut wie sicher, dass Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dem Duo angehören wird. Die Thüringerin, die schon 2013 Spitzenkandidatin war, ist bislang die einzige Frau, die Ambitionen angemeldet hat.

Um den zweiten Platz im Spitzenteam konkurrieren nach derzeitigem Stand der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck, Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter und voraussichtlich Parteichef Cem Özdemir. Letzterer hat seine  Kandidatur allerdings noch nicht offiziell angemeldet.

Wer sich bei den Männer durchsetzen wird, gilt als offen. Parteichef Özdemir, der  bei der letzten Bundestagswahl hinter dem damaligen Spitzenkandidaten Jürgen Trittin zurücksteckte, rechnet sich dieses Mal bessere Chancen aus. Er kann darauf verweisen, dass er auf Bundesebene der bekannteste Grüne ist. 

Der schwäbische Grünen-Politiker mit türkischen Wurzeln hat seit der letzten Bundestagswahl an Format gewonnen.

Robert Habeck - der Realo

Konkurrenz erhält er durch Robert Habeck, der ebenfalls zum Realo-Flügel gehört. Der charismatische Schleswig-Holsteiner präsentiert sich gerne unkonventionell – und ist ebenso wie Kretschmann bereit, mit seinen Positionen auch mal in der eigenen Partei anzuecken.

Habeck will nicht zuletzt  mit  einem anderen Habitus dafür sorgen, dass die Grünen auch im Bund wieder deutlich zweistellig werden können. Er will ohne „Rückfalloption“ um den Platz an der Spitze kämpfen: Um deutlich zu machen, wie ernst es ihm mit der Spitzenkandidatur ist, hat er vor wenigen Tagen erklärt, dass er für die ebenfalls 2017 stattfindende Landtagswahl in Schleswig-Holstein nicht kandidieren wolle. Bisher einziger Kandidat vom linken Flügel ist Fraktionschef Hofreiter. Der promovierte Biologe aus Bayern könnte ebenso wie Habeck das Ökothema  verkörpern. Unabhängig von der Frage, wer sich personell an der Spitze durchsetzt, ist vielen Grünen inzwischen klar, dass sie 2017 nicht mehr auf die Koalition setzen können, die lange als Wunschbündnis galt: Rot-Grün. Denn auch das haben die letzten Landtagswahlen gezeigt: Im Moment stehen die Grünen zunehmend vor der Aufgabe,  auch Bündnisse über die klassischen Lagergrenzen hinweg eingehen zu müssen.   So wie in Baden-Württemberg, wo sie unter Kretschmann  über ein Bündnis mit der CDU verhandeln. Zunehmend geht es dabei auch um Dreierbündnisse, wie in Rheinland-Pfalz oder in Sachsen-Anhalt.

In Mainz verhandeln  SPD, Grüne und FDP , während in Magdeburg die Grünen mit CDU und SPD Gemeinsamkeiten ausloten.

Dass es 2017 eine realistische Option für Rot-Rot-Grün geben könnte, halten mittlerweile auch Politiker vom linken Flügel für wenig wahrscheinlich. Nach den Landtagswahlen gab Grünen-Fraktionschef Hofreiter deshalb die Devise aus, im Zweifel  müssten die Grünen auch bereit sein, mit der Union zu regieren.

Damit dem Regieren zumindest technisch nichts mehr im Wege steht, will Bundesgeschäftsführer Kellner beim  Länderrat eine Satzungsänderung beschließen lassen. Eine mögliche Urabstimmung über einen Koalitionsvertrag soll schneller vonstatten gehen können.  Zur Begründung heißt es: Die bestehenden Fristen stimmten nicht   mit den Realitäten der Regierungsbildung überein.

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