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Zu wenig gefördert? Ländlicher Raum in Brandenburg - Sieversdorf im Landkreis Oder-Spree.

© Patrick Pleul/dpa

Ländlicher Raum im Osten: "Die Steuerverteilung muss sich ändern"

Wie Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und der Landkreistag die Steuern neu verteilen wollen.

Land unter im Osten? Nein, danke. Seit das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle mit der Forderung, nicht mehr die ländlichen Räume zu fördern, weil sich das nicht lohne, sondern nur noch Städte und ihr Umland, raufen sich die Gegner einer solchen Umorientierung der Förderpolitik zusammen. Am Mittwoch zum Beispiel Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags. Ihre Forderung: Die Steuerverteilung muss gerechter werden, um weiterhin gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu sichern. Und das bedeutet aus ihrer Sicht, dass mehr Geld in ländliche Räume fließen muss. Andere Ost-Regierungschefs wie der Linke Bodo Ramelow in Thüringen sehen es ähnlich.
Der Leipziger Ökonom Thomas Lenk moniert seit Langem, dass aufgrund der Lage der Konzernzentralen und der im Schnitt höheren Einkommen unverhältnismäßig mehr Steuereinnahmen im Westen landen. „In der horizontalen Verteilung werden insbesondere die ostdeutschen Flächenländer durch die derzeitigen Regelwerke stark benachteiligt“, sagte Lenk dem Tagesspiegel. „Sie erwirtschaften viel mehr, als es sich in ihren öffentlichen Kassen einnahmenseitig widerspiegelt.“ Demnach liegt die Wirtschaftskraft im Osten bei über 70 Prozent des Bundesschnitts, während die Steuereinnahmen nur knapp über 50 Prozent erreichen.

Diskrepanz zwischen Wirtschafts- und Steuerkraft

An dieser Diskrepanz zwischen Wirtschaftskraft und Steuerkraft will Haseloff nun ansetzen und zunächst bei der Gewerbesteuer beginnen. Standortgemeinden von Windkraftanlagen (gerade in Sachsen-Anhalt gibt es viele davon) etwa profitierten kaum, weil die Betreiberfirmen ganz woanders säßen. „Eine Zerlegung der Gewerbesteuer nach der installierten Leistung würde eine angemessene und dauerhafte Beteiligung der jeweiligen Standortgemeinden gewährleisten“, sagt Haseloff. Gleiches gelte etwa bei Filialen von Supermarktketten. „Unternehmen, die in den ostdeutschen Ländern ihr Geld verdienen, sollen auch hier ihre Gewerbesteuern zahlen.“ Der Landkreistag will auch den wirtschaftlich schwächeren Gegenden aufhelfen. Henneke plädiert dafür, den Kommunen insgesamt einen größeren Anteil an der Umsatzsteuer zukommen zu lassen. Dieses Steuerplus solle allein nach Einwohnern auf die Kommunen verteilt werden, ohne Rücksicht – wie bisher – auf die Wirtschaftskraft. „In der landesinternen Verteilung würden insbesondere die wirtschaftsschwächeren Kommunen profitieren und nachhaltig gestärkt werden“, sagt Henneke. Für den Osten ergäben sich daraus auch insgesamt Mehreinnahmen im Vergleich zum gegenwärtigen Verteilungsschlüssel.

"Hinreichend Mittel"

Lenks Einschätzung ist positiv: „Die Vorschläge des Landkreistages und des Ministerpräsidenten gehen insgesamt in eine richtige Richtung.“ Der Finanzwissenschaftler hält es für wichtig, "dass die aktuellen Mechanismen der originären Steuerverteilung angesichts neuer Herausforderungen und sich ändernder Aufgabenprioritäten einer systematischen Überprüfung unterzogen werden". In der vertikalen Verteilung, also zwischen Bund, Ländern und Kommunen kommt es laut Lenk darauf an, "dass alle Gebietskörperschaftsebenen über hinreichend Mittel verfügen, um die ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben angemessen erfüllen zu können. Insbesondere auf kommunaler Ebene ist dies oftmals nicht mehr gegeben." Eine systematische Stärkung der Kommunen sollte daher angestrebt werden - allerdings weniger über "bedingte Fachförderprogramme als vielmehr über eine strukturelle Stärkung der kommunalen Steuerbasis“. Ähnlich hatte zuletzt im Streit um den Digitalpakt (und mit Blick auf die Landeshaushalte) der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) argumentiert. Allerdings gibt es in der Bundesregierung und im Bundestag wenig Sympathie dafür, Länder und Kommunen pauschal mit mehr Steuern zu Lasten des Bundesetats auszustatten.

Haseloff und der Landkreistag zielen mit ihren Forderungen nichtsdestotrotz auch auf die „Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse“ der Bundesregierung, in der über neue Kommunalhilfen verhandelt wird. Verbesserungen für ländliche Räume sind allerdings nur ein Teil des Kommissionsauftrags. In Konkurrenz dazu steht zum Beispiel das Vorhaben, dem Bund einen Teil der kommunalen Altschulden aufzubürden – die insbesondere in westdeutschen Städten hoch sind.

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