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Andrang in einer Landarztpraxis in Brandenburg. Mit Telemedizin könnten viele Patienten auch zuhause versorgt werden.

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Landärzte hoffen auf Telemedizin: Videosprechstunde statt Hausbesuch

Mit Telemedizin ließe sich die Patientenversorgung auf dem Land verbessern. Doch weil sich Kassen und Ärzte stritten, kamen solche Projekte kaum voran. Das könnte sich nun ändern.

Warum sich Thomas Aßmann auf das Experiment mit der Telemedizin eingelassen hat? Weil er findet, dass „Ärzte nicht fürs Autofahren bezahlt werden sollten, sondern fürs Behandeln“. Weil er meint, dass zehnminütige Hausbesuche, bloß um den Blutdruck zu messen, ein EKG zu schreiben oder den Blutzucker zu bestimmen, die mehrstündige Abwesenheit in seiner Praxis nicht rechtfertigen. Weil ihm als Landarzt im Oberbergischen die Tage ohnehin zu kurz sind und er in der neuen Technik auch eine Möglichkeit für strukturschwache Regionen sieht, mit dem Medizinermangel klarzukommen.

Seit Oktober vergangenen Jahres praktiziert Aßmann – 52 Jahre alt und Internist in einer Gemeinschaftspraxis im rheinischen Lindlar – auch digital. Schickt seine Assistentinnen mit Tablet-Computer, Kamera und medizinischen Messgeräten zu den Patienten. Und schaltet sich, falls nötig, per gesicherter Datenleitung zu. Ein Modellprojekt, gemeinsam organisiert mit Krankenkassen und Hausärzteverband, das demnächst auf Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen ausgeweitet werden könnte. „Es klappt hervorragend“, sagt Aßmann. Seine Patienten seien gut betreut. Nur in höchstens jedem fünften Fall sei seine Mithilfe als Video-Doktor erforderlich.

Krankenkassen und Ärzte haben sich bisher vor allem blockiert

„Unser Ziel ist es, solche Projekte über unsere Hausarztverträge möglichst flächendeckend den Patienten und Hausärzten anbieten zu können“, sagt der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt. Allerdings habe man dafür erst mal „eigene Wege gehen“ müssen. Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens hätten sich die Akteure der Selbstverwaltung bisher nämlich „gegenseitig blockiert“. Das habe, so Weigeldt, „auch den Ausbau der Telemedizin verhindert“.

Dabei sind sich Gesundheitspolitiker und Funktionäre im Grundsatz einig: Die schöne neue Digitalwelt bietet für die Patientenversorgung enorme Potenziale. Sie könnten „ein echter Gewinn für die Patienten sein, wenn sie die Versorgung qualitativ verbessern, erleichtern oder beschleunigen“, sagt der Vertreter derer, die solche Neuerungen bezahlen müssen. Doch Johann-Magnus von Stackelberg, Vorstandsvize beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung, tritt gleichzeitig auf die Bremse. Bei der Telemedizin könne es nicht nur darum gehen, „einfach neue Abrechnungsziffern zu kreieren und zusätzliche Einnahmequellen für die Ärzte zu schaffen“. Die neue Form der Versorgung müsse schon „vergleichsweise wirtschaftlicher sein“. Und leider werde nicht jede Anwendung, die unter der Überschrift Telemedizin daher kommt, diesem Maßstab gerecht“.

Medizinrechtler: Von einem generellen Verbot kann keine Rede sein

Auch unter Medizinern gibt es Schwellenängste und Aversionen. Ferngesteuerte Medizin? Bloß nicht. Um professionell diagnostizieren und behandeln zu können, brauche man „physischen Kontakt“ zum Patienten, beharren sie. So steht es auch in den Hinweisen zur Musterberufsordnung der Bundesärztekammer und dem dort formulierten „Fernbehandlungsverbot“. Allerdings betonen Medizinrechtler, dass von einem generellen berufsrechtlichen Verbot keine Rede sein könne. Wer seinen Patienten wenigstens einmal vorher in der Praxis untersucht habe, könne weitere Termine jederzeit per Videosprechstunde abhalten.

Das Problem ist die Abrechnung. Bislang gibt es keine Gebührenziffern für Telemedizin. Einzige Ausnahme: die Herzschrittmacherkontrolle, die ab April 2016 auch als telemedizinische Leistung akzeptiert wird. Dass bald mehr geht, ist nur dem Machtwort des Gesundheitsministers zu verdanken. Laut E-Health-Gesetz sollen Telekonsile zu Röntgenbefunden ab April nächsten Jahres zur vertragsärztlichen Versorgung gehören, Onlinesprechstunden ab Juli 2017.

Die Telemedizin eigne sich, um die Versorgung bei langfristiger Betreuung zu unterstützen, sagt Weigeldt. Den direkten Kontakt mit dem Arzt ersetzen, könne und solle sie jedoch niemals.

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