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Politik: Landesvater auf der Suche nach Profil

Düsseldorf - Jürgen Rüttgers redet so, als hätte er die Überschriften nicht gelesen. Wann immer er seine Parteichefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, anspricht, wendet er sich ihr körperlich zu; wenn sie lächelt, lächelt Jürgen Rüttgers zurück.

Düsseldorf - Jürgen Rüttgers redet so, als hätte er die Überschriften nicht gelesen. Wann immer er seine Parteichefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, anspricht, wendet er sich ihr körperlich zu; wenn sie lächelt, lächelt Jürgen Rüttgers zurück. Dabei hatten die Blätter vom Tage noch Anderes angekündigt. Merkel sollte wegen der Steuererhöhungen kritisiert, wegen des Antidiskriminierungsgesetzes gescholten werden. Der Düsseldorfer Fraktionschef, der wenig ohne Zustimmung des Ministerpräsidenten sagt, verlangte Korrekturen, der neue CDU-Generalsekretär sagte, dass die Stimmung an der Basis wegen der Berliner Steuervorlagen arg verbesserungswürdig sei.

Doch Jürgen Rüttgers mag das bei der Regionalkonferenz nicht aufnehmen. Gemeinsam mit der Kanzlerin stellt er sich der Parteibasis, um über das neue Grundsatzprogramm zu debattieren. Abgesehen von einigen Bemerkungen über das soziale Profil der Union freute sich Rüttgers vor allem über seinen Wahlsieg vor einem Jahr: „Wir in Nordrhein-Westfalen haben Schröder abgewählt.“ Dass die Wähler am 18. September dann nicht Merkel pur ein Mandat erteilt haben, verunsichert den Düsseldorfer Ministerpräsidenten bis heute so sehr, dass er häufig Mühe hat, sich für eine politische Linie zu entscheiden. Auf der einen Seite lässt er sich gerne als Reformer feiern. „Wenn die in Berlin nur 1,7 Prozent beim Haushalt kürzen, schaffen wir 2,5 Prozent“, rechnet er vor, um im nächsten Atemzug darüber zu philosophieren, dass er in der sozialpolitischen Tradition von Karl Arnold (des ersten CDU-Ministerpräsidenten) und Johannes Rau (SPD) stehe. Er sagte dies auch am 1. Mai, wo ihn Tausende wütende Demonstranten wegen seiner Sparpolitik ausgepfiffen haben. Solche Widersprüche bleiben der Kanzlerin nicht verborgen. Deshalb lästert sie im kleinen Kreis schon mal über den „kleinen Reformer aus Düsseldorf“.

Der hat sich gemeinsam mit der FDP aufgemacht, das Land zu verändern. Als ersten Schwerpunkt nennt Rüttgers stets die Haushaltskonsolidierung und fügt hinzu, dass man zwar spare, aber mehr für Investitionen und die Bildung ausgebe. Im Land ist über die Fakten ein heftiger Streit ausgebrochen. Während die Zahl der neuen Lehrer bei Rüttgers von Rede zu Rede größer wird (inzwischen spricht er von 3230 zusätzlichen Stellen), rechnet ihm die Opposition vor, dass er die Pädagogen vergisst, die aus dem Dienst ausscheiden. „Netto sind das allenfalls 1300 neue Stellen, und die musste er allein wegen der steigenden Schülerzahlen schaffen“, sagt Oppositionsführerin Hannelore Kraft von der SPD. Während Jürgen Rüttgers angesichts der neuen Lehrer vom "Jahr des Kindes" redet, schimpfen Gewerkschaften, Kindergartenträger und Jugendverbände über Kürzungen in dreistelliger Millionenhöhe, was Rüttgers allerdings nicht nachvollziehen kann. „In zehn Jahren werden wir die Bayern überholt haben.“

In der Bundespolitik fällt Rüttgers wenig auf. Obwohl er als Stellvertreter von Angela Merkel formale Macht hat, wird er nicht unbedingt gefragt, wenn Entscheidungen anstehen. Sein Widerstand gegen das Elterngeld ist in der Union folgenlos geblieben; seine Haltung zur Mehrwertsteuer bleibt unklar. Während der kleine Koalitionspartner FDP ein striktes Nein im Bundesrat verlangt, legt sich Rüttgers nicht fest.

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