zum Hauptinhalt

Landgericht Bonn: Mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher kurz vor Prozess gestorben

Samuel K. soll an der Ermordung von 430.000 Menschen beteiligt gewesen sein. Kurz vor seinem Prozess ist er nun gestorben. Der 89-Jährige stand an dritter Stelle der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher.

Ein wegen der Beteiligung an Massenmorden angeklagter mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher ist tot. Der Mann, dem vor dem Landgericht Bonn der Prozess gemacht werden sollte, sei im Alter von 89 Jahren gestorben, sagte ein Sprecher der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Kriegsverbrechen in Dortmund am Montag. Der 89-Jährige sollte Anfang kommenden Jahres wegen der Beteiligung an nationalsozialistischen Massenmorden vor Gericht gestellt werden. Dem im Raum Bonn lebenden Mann war Mord in zehn Fällen und Beihilfe zum Mord in bis zu 430.000 Fällen vorgeworfen worden.

Einer der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher

Der ehemalige Wolgadeutsche soll im Januar 1942 im Vernichtungslager Belzec in Polen gearbeitet und dort als Wachmann und auch als Aufseher eingesetzt worden sein. Laut Anklageschrift wurden bis Juli 1943 in den dortigen Gaskammern laut Schätzungen rund 430.000 Juden getötet. Auf der Liste der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher des Simon Wiesenthal Centers belegte der Beschuldigte den dritten Platz.

Die Opfer wurden damals den Angaben zufolge mit Zügen in Viehwaggons zum Vernichtungslager gebracht. Ihnen wurde erklärt, sie kämen jetzt zum Arbeitseinsatz, müssten jedoch vorher entlaust, gebadet und untersucht werden. Nachdem sie sich entkleidet hatten, wurden zuerst die Männer und dann die Frauen und Kinder zum Vergasungsgebäude getrieben und in einzelnen Kammern eingeschlossen. Dort wurden sie mit den Abgasen eines Dieselmotors erstickt.

Laut Staatsanwaltschaft hatte der Mann im Mai/Juni 1943 zudem acht Menschen eigenhändig erschossen. Dabei handelte es sich um die in einer Grube liegenden Opfer, die bei einer vorherigen Massenerschießung lediglich verwundet worden waren. Im Juli 1943 soll der 89-Jährige zwei weitere Menschen erschossen haben, die zuvor aus einem für das Vernichtungslager bestimmten Zug geflohen und dann von Wachmännern gefasst worden waren.

Nach Angaben der Zentralstelle war rund ein Jahr lang gegen Samuel K. ermittelt worden. Dabei seien zahlreiche Details zu den Verbrechen in dem Vernichtungslager Belzec gesammelt worden.

Wiesenthal Center kritisiert Ermittlungsstrategie

Der Leiter des Jerusalemer Büros des Simon Wiesenthal Centers, Efraim Zuroff, kritisierte, dass zu spät gegen den Beschuldigten Anklage erhoben worden sei. Dass der mutmaßliche Kriegsverbrecher "Jahrzehnte ungestraft in Deutschland leben konnte", sei das Ergebnis einer "fehlerhaften Ermittlungsstrategie" gewesen, die "praktisch jeden Holocaust-Täter ignorierte, der kein Offizier war", sagte Zuroff. Erst nach einem Wechsel in der Ermittlungsstrategie sei es zu der Anklage gekommen, hieß es. "Wir fordern die deutschen Behörden dazu auf, ähnliche Fälle wegen des hohen Alters der Beschuldigten schnell zu bearbeiten, damit Gerechtigkeit hergestellt werden kann", mahnte Zuroff. (dapd/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false