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Wer ist am Ende schuld? Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der SPD-Kanzlerkandiat Martin Schulz.

© dpa

Landtagswahl als Indikator: Was die Wahl in Nordrhein-Westfalen so aussagekräftig macht

Hannelore Kraft gegen Armin Laschet - und welchen Einfluss hat Martin Schulz? Viele politische Veränderungen nahmen vom größten Bundesland her ihren Lauf. Auch diesmal? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Eine Landtagswahl ist eine Landtagswahl ist eine Landtagswahl. Das sagen am Tag nach der Wahl die Bundespolitiker, die zum Parteienlager der Geschlagenen gehören. Die Berliner Stimmen der Gewinner-Partei aber tönen: Das ist ein Signal für den Bund, das hat Signalwirkung. Das war schon immer so, und das wird am Tag nach der Entscheidung in Nordrhein-Westfalen nicht anders sein. Die Erfahrung lehrt auch hier: Siege haben viele Väter, Verlierer sind politische Waisenkinder.

Dabei ist das Theorem von der völligen Eigenständigkeit landespolitischer Wahlentscheidungen und der fehlenden Auswirkung auf die Bundespolitik von jeher nur partiell belegbar gewesen. Gutes Spitzenpersonal macht Punkte – siehe Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland. Schwache Ministerpräsidenten sind keine Zugpferde – siehe Schleswig-Holstein. Aber natürlich verloren die Sozialdemokraten die NRW-Wahl 2005, weil in Berlin die Regierung Schröder kriselte. Und genauso war das schwache Bild des CDU-Spitzenkandidaten und Bundesministers Norbert Röttgen bei der vorgezogenen NRW-Wahl 2012 eine Ursache für das katastrophale Abschneiden der Union.

Ob jedoch jetzt am Sonntag Hannelore Kraft trotz ihres gesunkenen Ansehens und der Wirtschaftsmisere ihres Bundeslandes im Amt bestätigt wird; ob ihr dabei der „Schulzzug“ half oder das Würselen-Heimat-Image von Martin Schulz, oder beides leider nicht; ob ihr Gegenkandidat von der CDU, Armin Laschet, auf der Wolke der Merkelschen Dominanz nach oben schweben kann – anschließend, ab Sonntagabend, werden in Berlin in jedem Fall die Fetzen fliegen.

Alles auf Anfang?

Das wird so sein, weil Nordrhein-Westfalen schon immer das Labor der Bundesrepublik war und die Herzkammer Deutschlands. Hier wurde in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Übergang von der Kohle in neue Industrien eingeleitet. Hier müssen heute die Folgen der Globalisierung und der Migration wirtschafts- und gesellschaftspolitisch abgefangen werden. Hier wurden Koalitionen erstmals auf ihre politische Alltagstauglichkeit getestet, die später in Bonn und Berlin den großen Machtwechsel möglich machten. SPD und FDP probten unter Heinz Kühn an Rhein und Ruhr ab 1966 einen Pakt, mit dessen bundespolitischer Fortsetzung in Bonn nach der Wahlnacht 1969 die sozial-liberale Ära Brandt/Scheel eingeleitet wurde.

Johannes Rau war ab 1995 in Düsseldorf der Moderator von Rot-Grün – er lieferte Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Joschka Fischer die Folie für den Neuanfang 1998 an der Spree. Und einmal, 2005, führte eine SPD-Niederlage in diesem Bundesland sogar zu vorgezogenen Neuwahlen des Bundestages und einem Machtwechsel im Kanzleramt.

In diesem Nordrhein-Westfalen werden am Sonntag 13 Millionen Menschen, ein Viertel aller Wahlberechtigten Deutschen, mit Sicherheit nicht nur über Hannelore Krafts oder Armin Laschets politische Zukunft entscheiden. Ihr Wahlverhalten wird, ob ihnen das nun gefällt oder nicht, auch als Stimmungsbild gedeutet werden, ob die SPD doch noch bis zum 24. September von einem positiven Schulz-Effekt profitieren kann, oder ob die Merkelsche Dominanz nach einem kleinen Stimmungstief wieder alte Stärke gewonnen hat – alles auf Anfang oder weiter so? Eine Landtagswahl ist eben fast immer mehr als eine Landtagswahl. In Nordrhein-Westfalen sowieso.

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