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Die Chancen auf einen Wahlsieg ihrer CDU sind für Rita Mohr-Lüllmann übersichtlich.

© dpa

Landtagswahl in Bremen: Die CDU-Kandidatin und der "Fluch der Weser"

Die Bremer CDU zieht am Sonntag erstmals mit einer Frau in die Landtagswahl - doch die hat nicht einmal die eigenen Reihen hinter sich. Erstmals droht die CDU sogar hinter den Grünen auf Platz drei zu landen.

Gleich soll sie reden, die neue CDU-Spitzenkandidatin für die Bremer Bürgerschaftswahl am 22. Mai. Rita Mohr-Lüllmann schreitet einmal längs durch den Saal Richtung Rednerpodium, begleitet von 20 jubelnden Jungunionisten in orangenen T-Shirts. „Team Rita“ steht darauf. Dazu halten sie „Rita“-Schilder in die Höhe und es wummert fanfarenähnliche Filmmusik aus „Fluch der Karibik“. Etwas zögerlich erheben sich die Delegierten des letzten CDU-Landesparteitags vor der Wahl von ihren Plätzen und klatschen.

„Ich bin ganz überwältigt!“, sagt die 54-Jährige. Anzumerken ist ihr das nicht. Auch am nächsten Tag, beim Rundgang auf dem Wochenmarkt, wirkt sie eher unbeteiligt. Nur hier und da wechselt sie ein Wort mit einem der Händler: „Reden Sie gut über uns!“ Als sie mit einem bärtigen Brillenträger ins Gespräch kommt, gibt sie schnell auf: „Ich kann Sie jetzt nicht überzeugen, wenn Sie mich sowieso nicht wählen.“

Erstmals schickt die Bremer CDU eine Frau als Spitzenkandidatin in die Bürgerschaftswahl: eine nüchtern wirkende Seiteneinsteigerin, katholisch, Chefin von 70 Angestellten des eigenen pharmazeutischen Analyselabors, seit 2003 Bürgerschaftsabgeordnete und inzwischen Vizechefin der Fraktion wie der Landespartei. „Rita ins Rathaus“, heißt die Parole, also weg mit Bürgermeister Jens Böhrnsen und seiner rot-grünen Regierung. Die gebürtige Westfälin nennt Bremen „das Land mit den vielen roten Laternen“. Tatsächlich steht das kleine Bundesland für die höchste Staatsverschuldung pro Bürger, ist Pisa-Schlusslicht und führend bei Firmen- und Privatpleiten. „Ich will raus aus dieser Abstiegszone“, sagt sie.

Doch auch mit ihrer eigenen Partei geht es bergab. Laut Umfragen von ZDF und ARD können sich derzeit nur 19 bis 20 Prozent der Bremer Wähler für die CDU erwärmen. Vor vier Jahren, unter Spitzenkandidat Thomas Röwekamp, waren es noch mehr als 25. Bei einer Direktwahl der Regierungsspitze würde selbst von den CDU-Anhängern weniger als die Hälfte für Mohr-Lüllmann stimmen.

Erstmals bei einer deutschen Landtagswahl droht die CDU sogar hinter den Grünen auf Platz drei zu landen. Nach dem Abgang des langjährigen Vorsitzenden Bernd Neumann und einer Modernisierungskur fühlen sich vor allem ältere Konservative fremd in ihrer Partei. Im „100-Tage-Sofort-Programm“ für die angestrebte Rathaus-Eroberung finden sich Allgemeinplätze wie „alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen“, aber auch Konkreteres wie die Abschaffung „überflüssiger Tempolimits“, die Ernennung eines „Windenergiebeauftragten“ oder die Einführung von Förderunterricht für schwache Schüler, gerne auch an Samstagen – was die erstmals wahlberechtigten 16- und 17-Jährigen nicht unbedingt zu CDU-Fans machen dürfte.

Mohr-Lüllmanns Lieblingsthema aber sind die Kinder von Drogenabhängigen. Schon bei Kevin, dem Zweijährigen, der von seinem süchtigen Ziehvater getötet wurde, engagierte sich die Mutter zweier erwachsener Söhne in einem Untersuchungsausschuss. Inzwischen hat die Sozialbehörde bei anderen Kindern in Haarproben Drogenspuren gefunden. Haben die Eltern den Nachwuchs womöglich mit Heroin oder Kokain ruhiggestellt? Die CDU-Politikerin will das alles noch rigoroser als der Senat überprüfen lassen und die Kleinen noch schneller in Pflegefamilien stecken: „Kinder gehören nicht ins Drogenmilieu“. Das bringt ihr vielleicht ein paar Pluspunkte.

Weniger gut dürfte ankommen, dass sie auf einem Plakat mit zwei vermeintlichen Werktätigen posiert, bei denen es sich in Wirklichkeit um zwei Parteifreunde in Blaumann-Verkleidung handelt. Die „Bild“-Zeitung bezeichnete die Kandidatin deshalb bereits als „Mogel-Rita“. Aber selbst wenn die CDU zulegen sollte: Ihr fehlt ein Koalitionspartner. SPD und Grüne halten fest zusammen, und die FDP scheitert höchstwahrscheinlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Über den Bürgerlichen scheint der „Fluch der Weser“ zu liegen.

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