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Bello darf nicht mitwählen. Muss er auch nicht. Es würde schon reichen, wenn die meisten Menschen wählen gehen würden. In Brandenburg und Thüringen taten sie das nicht.

© dpa

Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen: Wahlpflicht? Nein, die Wahlgabe muss her!

Die niedrige Beteiligung in Brandenburg und Thüringen zeigt, dass es ohne Anreize nicht mehr geht. Deutschland braucht die Online-Wahl, das "zweite Kreuz" - und eine Prämie für jeden, der wählt.

Die Wahlbeteiligung lag in Thüringen bei etwa 54 Prozent, in Brandenburg machte nicht einmal die Hälfte aller Wahlberechtigten von ihrem Recht auf politische Mitbestimmung Gebrauch. Diese Werte sind enttäuschend. Nun sind die Klagen über wahlmüde Bürger in Demokratien nichts Neues – was allerdings die Frage aufwirft, warum keine der durchaus vorhandenen Ideen, wie dieses Problem zu lösen sei, ernsthaft diskutiert wird.

Wie ein Damoklesschwert baumelt das Wort „Wahlpflicht“ über den Köpfen jener, die den Bürger zu seiner Willensbekundung verpflichten wollen. Wahlpflicht, das klingt irgendwie unangenehm, eher totalitär als bürgernah, manch einer dürfte bei diesem Wort an die DDR denken. Die grundsätzliche Idee der Wahlpflicht ist einfach: Wer nicht wählt, muss eine Strafe zahlen. 50 Euro könnten ein guter Betrag sein. Es gibt Länder, die ähnlich vorgehen, Belgien ist so ein Fall.

Um den negativen Klang und die Pflicht als solche zu vermeiden, wäre eine weiter gedachte Wahlpflicht nötig. Wer wählt bekommt etwas dafür, wer nicht wählt, eben nicht. Eine solche Regelung könnte „Wahlgabe“ heißen. Ob die Staatsbürger für ihr Kreuz Geld erhalten, einen Geschenkkorb oder, was deutlich besser wäre, Gutscheine für staatliche Museen und andere Kultureinrichtungen, könnte bei Landtagswahlen den jeweiligen Bundesländern überlassen werden.

Es sollte endlich ermöglicht werden, seine Stimme im Internet abzugeben

Natürlich wären die Kosten einer solchen „Wahlgabe“ nicht unwesentlich. Doch seit jeher verteilt der Staat milde Gaben an seine Bürger. Im Fall der von der CSU durchgedrückten „Herdprämie“ sogar solche, die von der Mehrzahl der Deutschen abgelehnt werden und Integration verhindern.

Wie jedes große Problem wäre die niedrige Wahlbeteiligung mit einer Wahlgabe alleine vermutlich nicht behoben. Zusätzlich sollte endlich die Möglichkeit eröffnet werden, seine Stimme im Internet abzugeben. Bislang entscheidet das Wetter immer noch über die Zusammensetzung der Parlamente mit. „Bei trübem Wetter blieben viele potentielle Wähler wohl lieber zu Hause“ ist so ein Satz, den jeder Wahlleiter irgendwann schon mal benutzt hat.

Eine hohe Wahlbeteiligung ist für eine Demokratie nicht alles

Eine andere dringend notwendige Änderung des Wahlrechts betrifft die Prozenthürden, welche von den Parteien erst übersprungen werden müssen, um in ein Parlament einzuziehen. Die meisten Wähler, die einer Kleinpartei anhängen, müssen am Wahltag sehen, wie ihre Stimme der Prozenthürde zum Opfer fällt. Wer beispielsweise die Tierschutzpartei wählt, sollte sein Kreuz – sein zweites Kreuz – auch noch bei einer etablierten Partei machen können. Dieses zweite Kreuz wird erst relevant, wenn die vom Wähler favorisierte Partei es nicht ins Parlament schafft.

Natürlich ist eine hohe Wahlbeteiligung für eine Demokratie nicht alles. In Deutschland war diese 1933 sehr hoch. In der Schweiz und den USA war sie häufig sehr niedrig, dennoch sind beide Länder stabile Demokratien. Doch wenn sich durch eine niedrige Wahlbeteiligung, viele an Prozenthürden gescheiterte Kleinparteien und knappe Mehrheitsverhältnisse weit weniger als die Hälfte aller Menschen durch eine Regierung vertreten fühlen, ist der Schaden vorprogrammiert. Viele fragen sich im Moment, wie der Aufstieg der AfD zu erklären ist. Das Wahlrecht ist einer der Gründe.

Was glauben Sie, welche Anreize Menschen zum Wählen bewegen könnte? Diskutieren Sie mit.

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