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Ein Anhänger der Alternative für Deutschland trägt eine AfD-Kappe.

© Sebastian Willnow / dpa

Landtagswahlkampf: Cool bleiben, Brandenburg

Der Wahlkampf im Flächenland sollte nicht hysterisch werden. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Werner van Bebber

Vier gleich starke Parteien in direkter Konkurrenz – der Landtagswahlkampf in Brandenburg dürfte spannend werden. Für die Langstreckenregierungspartei SPD sieht es nicht gut aus. Dietmar Woidkes landesväterlicher Stil, sein Einsatz für die Lausitz mit ihrem Braunkohleproblem, scheint die Brandenburger längst nicht mehr positiv zu beeindrucken.

Die märkische SPD kann sich offenbar nicht aus dem fatalen Sog lösen, der die Sozialdemokratie bundesweit erfasst hat. Fehleinschätzungen der Lage – siehe die am Bürgerprotest gescheiterte Kreisgebietsreform – lassen darauf schließen, dass sich die märkische SPD müde und matt regiert hat.

Linke mit Spitzenkandidatenproblem

Die Linke hat seit dem Abgang der Sozialministerin Diana Golze ein Spitzenkandidatenproblem. Die Konkurrenz-Volkspartei, die CDU, wirkt mit ihrem Spitzenkandidaten Ingo Senftleben nicht – zumindest noch nicht – wie eine Regierung im Wartestand. Senftleben, der vielen in der Mark kein Begriff ist, hat nur noch ein paar Monate, um sich bei den Brandenburgern als Kandidat mit einem klaren Profil bekannt zu machen.

Da starren alle auf die AfD. Die ist mit dem Frontmann Andreas Kalbitz zum schwer kalkulierbaren, aber robusten Faktor in der Brandenburger Politik geworden. 20 Prozent für eine illiberale Partei, deren Vormann dubiose politische Kontakte ins ganz rechte Milieu pflegen soll: Man kann sich durchaus fragen, was los ist in der Mark.

Bevor allerdings in Berlin alle, deren Herzen links oder linkslinks oder linksgrün schlagen, gleich die Glienicker Brücke abreißen, sollte man kurz dem Wahlforscher Manfred Güllner zuhören. Güllner hat in der „Bild“-Zeitung jüngst darauf hingewiesen, dass die AfD seit Jahren ein festes Wählerpotenzial in Brandenburg habe und „konstant“ bei zwanzig Prozent liege. Dieses Potenzial bestehe aus Enttäuschten, die gar nicht mehr wählen gingen – bis sich die AfD als Transporter des Grolls und des Protests anbot. „Genau hier sehe ich das Potenzial für die SPD und die CDU“, so Güllner. „Wenn es ihnen gelingt, die Nichtwähler zurückzugewinnen, sinkt der AfD-Anteil automatisch.“

AfD hat Grenzen der Möglichkeiten erreicht

Und noch etwas sagte der Wahlforscher: Er erwarte nicht, dass die AfD noch weiter zulegen werde. Sie hat, vermutet er, die Grenzen ihrer Möglichkeiten erreicht. Für die kommenden Wahlkampfmonate sollte man das übersetzen mit „bloß keine Hysterie in Brandenburg“. Zumal nun auch der Rechtsaußen André Poggenburg mit seiner Radikalpartei in Brandenburg antreten will. Das könnte die AfD Stimmen kosten.

Gewiss: die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Eine Dreierkonstellation wäre notwendig, wenn die SPD bei 20 Prozent bleibt, die CDU darüber nicht hinauskommt und die Linke bei 17 Prozent bleibt. Das Berliner R2G-Bündnis zeigt, dass eine Dreierkonstellation das Regieren nicht geschmeidig macht und der scheinbar Stärkste das nicht bleiben muss. Aber der CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben ist ein Mann, bei dem die Interessen des Landes vor der Ideologie kommen. Und weil es in der Mark um brandenburgische Themen geht und nicht um die Nato oder die Sicherung der EU-Außengrenzen – Themen, bei denen man sich auf die Linke im Bund nicht verlassen kann –, hat Senftlebens Haltung viel für sich.

Davon abgesehen gibt es auch noch die Grünen als möglichen Regierungspartner. Die machen seit Jahren eine fundierte Oppositionspolitik und erleben derzeit einen Polit-Aufschwung, der ähnliche Ursachen haben könnte wie der der Bundes-Grünen: neue bürgerliche Sympathien auch bei Leuten, die mit der CDU weniger anfangen können. Etwa, weil ihnen Umweltfragen immer wichtiger geworden sind. Umlandbewohner, die auf Abstand zur der Großstadt in der Mitte Brandenburgs mit seinen Funktionsproblemen leben wollen, aber deshalb nicht konservative, sondern eine zukunftsorientierte Politik erwarten.

Von Tiefrot über Grün und Gelb bis Schwarz täten alle politischen Konkurrenten gut daran, sich von der AfD nicht hysterisieren, nicht mal treiben zu lassen. Der linke Frankfurter Oberbürgermeister Rene Wilke hat gezeigt, wie man mit einer Situation umgeht, in der Konflikte mit Asylbewerbern lodern: Wilke gab sich entschieden und nahm dem Streit das Eskalationspotenzial. Das war ein gutes Beispiel für alle, denen die liberale Demokratie am Herzen liegt. Sachlich zu debattierende Fragen von der Energie bis zur Infrastruktur in der märkischen Provinz gibt es genug. Demokraten streiten darüber, wie das zu Brandenburg passt: trocken, cool, heimatverbunden.

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