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Politik: Lange Rede, kurze Beichte

Auf dem Parteitag in Bremen gibt Westerwelle Fehler in der Affäre Möllemann zu. Die Basis berührt es wenig

Von Robert Birnbaum

Es ist schon ein großes Glück für Guido Westerwelle, dass es Ursula Engelen-Kefer gibt. Wenn der FDP-Chef jetzt die DGB-Vizevorsitzende nicht mal eben als „die Inkarnation des Klassenkampfs des 19. Jahrhunderts“ geißeln könnte, würde das Gemurmel in der Bremer Stadthalle womöglich überhand nehmen. Aber wenn es darum geht, Gewerkschafts-Hardliner abzuwatschen, stellt der FDP-Parteitag doch mal kurz die Privatgespräche ein und liefert eine Runde Beifall.

Eineinhalb Stunden lang geht das schon so. Oben auf dem Podium arbeitet sich der Parteichef ab, unten im Saal herrscht eine Mischung aus höflichem Schweigen und unhöflicher Plauderei. Einerseits kennen die Delegierten die Botschaften in- und auswendig: Deutschland ist am Ende, Reform tut not, wir haben es immer schon gesagt und haben Recht behalten. Aber das allein erklärt nicht das zerstreute Desinteresse im Saal. Der Parteitag wartet. Er weiß: Da kommt noch was.

Und es kommt, ganz zuletzt. „Zum Schluss möchte ich mich auch innerparteilich an Sie wenden“, sagt Westerwelle. Er presst die Lippen aufeinander, die Kiefer mahlen. Im Saal ist es vollkommen still. Von „Fehlern“ spricht Westerwelle, von „mancher Überspanntheit im Wahlkampf“; er stockt, atmet durch, „Fehler, die ich als Parteivorsitzender vor allen anderen zu verantworten hatte“. So, das ist raus. Aber das ist es noch nicht gewesen. „Man fragt sich, man prüft sich, was zuallererst bei sich selbst kritisch zu sehen ist.“ Der Saal ist immer noch mucksstumm. Wie weit geht das Schuldbekenntnis? „Dass ich zu sehr vertraut habe, vielleicht auch zu lange vertraut habe“, sagt Westerwelle – und schiebt sofort nach: „Ich weiß, dass ich da nicht der Einzige war.“

Auszusprechen, wer der Vertraute war, bleibt tabu. Nur als „Repräsentanten der Partei“ bezeichnet ihn Westerwelle einmal, das ist das Äußerste. Es wird später dem Berliner Delegierten Bernhard Jahntz vorbehalten sein, zum ersten Mal Jürgen Möllemann beim Namen zu nennen. Jahntz, von Beruf Oberstaatsanwalt, reicht auch das Schuldbekenntnis seines Parteichefs nicht. Das „Kanzlerkandidatenkasperletheater“, nur „eine Überdrehung“, wie sie schon mal vorkommt in der Hitze des Wahlkampfs? Von wegen. „Ich fürchte, es wird einige Delegierte geben, die dir ihre Stimme nicht geben können“, sagt Jahntz. Das hat Westerwelle vorher gewusst. Aber mit knapp 80 Prozent Ja-Stimmen kommt er dann ganz anständig weg.

Der Berliner bleibt auch der Einzige, der Westerwelle offen rügt. Die große Mehrheit der Freidemokraten nimmt die reuigen Worte ebenso emotionsarm auf wie diese ganze Rede ihres Vorsitzenden, aus der in Sachen Innovation nur noch zu berichten ist, dass Guido Westerwelle neuerdings die „geistig-moralische Wende“ propagiert. Mangels besserer Schlagworte den Kampfbegriff aus dem Uralt-Arsenal Helmut Kohls zu reaktivieren, das passt vielleicht sogar zum Zustand einer FDP, die keinen Super-Guido mehr hat, sondern einen Vorsitzenden mit Normalmaß. Und die ihren größten Personalstreit per Losentscheid ausgeräumt hat: Morgens im Salon Scharoun hat Westerwelle eine Zwei-Euro-Münze in die Luft geworfen, und als sie unten ankam, lag die Zahl oben. Womit von da an feststand, dass der NRW-Landeschef Pinkwart sich um den Posten des zweiten und der Baden-Württemberger Döring sich nur um den des dritten stellvertretenden Parteivorsitzenden bewerben durfte. Was er dann aber fast auch nicht geworden wäre: Döring, dem viele allzu auffälliges Taktieren während der Möllemann-Affäre übel nehmen, fiel im ersten Anlauf durch. Erst als Westerwelle sich für ihn einsetzte, schaffte er die Wahl im Wiederholungsdurchgang.

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