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Politik: Langzeitstudie: Die Anforderungen von Gesamtschulen und Gymnasien liegen weit auseinander

Durch einen Leistungsvergleich in Mathematik, den Bildungsforscher zusammen mit Schulministerin Gabriele Behler (SPD) veröffentlicht haben, ist ein Verdacht belegt worden, der schon lange gehegt wird: Die Leistungsstandards von Gesamtschulen und Gymnasien liegen - jedenfalls in Nordrhein-Westfalen - weit auseinander. Was in einem Leistungskurs der Oberstufe in Mathematik an einem Gymnasium mit einer "Vier-minus" bewertet wird, entspricht in einem Grundkurs des Gymnasiums einer "Drei-minus".

Durch einen Leistungsvergleich in Mathematik, den Bildungsforscher zusammen mit Schulministerin Gabriele Behler (SPD) veröffentlicht haben, ist ein Verdacht belegt worden, der schon lange gehegt wird: Die Leistungsstandards von Gesamtschulen und Gymnasien liegen - jedenfalls in Nordrhein-Westfalen - weit auseinander. Was in einem Leistungskurs der Oberstufe in Mathematik an einem Gymnasium mit einer "Vier-minus" bewertet wird, entspricht in einem Grundkurs des Gymnasiums einer "Drei-minus". Der Oberstufenschüler einer Gesamtschule erhält im Leistungskurs dafür eine "Zwei-minus" und der Gesamtschüler eines Grundkurses eine "Eins".

Dies ist das erste Ergebnis einer mehrere Länder umfassenden Langzeituntersuchung, die das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin zusammen mit dem Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel vorgenommen hat. Es wurden im Jahr 1997 Tests mit denselben Aufgaben an Gymnasien und Gesamtschulen geschrieben, die dem Niveau des internationalen Leistungsvergleichs von TIMSS entsprechen. Die Bildungsforscher stellen bei der Auswertung fest: Am Ende der 12. Jahrgangsstufe unterscheiden sich die Leistungen im Fach Mathematik bei den Schülern, die Oberstufen an Gymnasien besuchen, von denen, die auf Gesamtschulen gehen, "in praktisch bedeutsamen Ausmaß".

Die Bildungsministerin von Nordrhein-Westfalen, Gabriele Behler (SPD), kommentierte die Befunde mit den Worten: "Es ist politisch nicht vertretbar, dass die Qualität der Abschlüsse der Beliebigkeit überantwortet wird. Es gibt einen Anspruch der Jugend, der Eltern und der Gesellschaft, dass mit den Schulabschlüssen eine gewisse Vergleichbarkeit der Standards gegeben sein muss. Sonst wird dem öffentlichen Schulwesen der Boden entzogen."

Die sozialdemokratische Bildungsministerin bekennt sich dazu, dass Bildungsreserven in der Jugend erschlossen werden. Für sie ist es durchaus auch ein Erfolg, wenn an Gesamtschulen eine Schülerschaft, die im Eingangsniveau einer Mischung von Haupt- und Realschülern entspricht, zur Hochschulreife geführt werden kann. Aber Gabriele Behler betont: "Nur darf das nicht zur Beliebigkeit führen."

In Nordrhein-Westfalen gibt es 220 Gesamtschulen und damit liegt NRW nach Brandenburg mit rund 300 Gesamtschulen in Deutschland mit diesem Schultyp an der Spitze. Auch in Nordrhein-Westfalen leiden die Gesamtschulen darunter, dass ihnen bereits in der Mittelstufe die Schüler fehlen, die für Gymnasien empfohlen worden sind. In der Mittelstufe, der so genannten Sekundarstufe I, sitzen an den Gesamtschulen die in der Leistung schwächeren Schüler in den Grundkursen. In die Erweiterungskurse sollen eigentlich nur solche Schüler aufgenommen werden, die in dem jeweiligen Fach mindestens "befriedigende Leistungen" erreichen. Eine solche Leistungsdifferenzierung in Grund- und Erweiterungskursen wird in Englisch, Deutsch, Mathematik und den Naturwissenschaften geboten. Hier haben etliche Gesamtschulen nach den Erkenntnissen der Bildungsforscher und der Schulministerin die Standards nicht eingehalten. Gesamtschulen wollten sich so die Voraussetzung schaffen, dass sie genügend Schüler auch auf die gymnasiale Oberstufe führen können. Denn in der Konkurrenz zu den Gymnasien sind Gesamtschulen auf die Oberstufe angewiesen.

Hier setzt Gabriele Behler an: Es hat sich gezeigt, dass Leistungen, die schon in den Erweiterungskursen der Sekundarstufe I nicht den Standards entsprachen, sich während der Oberstufe nicht etwa verbessern, sondern dass sie schlecht bleiben oder sich sogar noch verschlechtern. Damit künftig das Niveau eingehalten wird, will die Bildungsministerin vergleichbare Mindeststandards schon in der Sekundarstufe I vorgeben. Ihr sind die Folgen bewusst: Dann können Erweiterungskurse zu klein werden, wegfallen und damit müssen einzelne Gesamtschulen auf eine gymnasiale Oberstufe verzichten, weil sie dafür nicht genügend Schüler aus den eigenen Reihen aufbringen. In solchen Fällen sollen die Schüler auf die gymnasiale Oberstufe benachbarter Gymnasien oder Gesamtschulen geschickt werden.

Uwe Schlicht

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