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Frankreichs Präsident Macron bei seiner Rede in der Jagiellonen-Universität in Krakau

© VIA REUTERS/Adrianna Bochenek/Agencja Gazeta

„Lasst keine Lügen über eure Geschichte zu“: Macron besucht Polen – und warnt vor Umschreiben der Geschichte

Frankreichs Präsident reist erstmals nach Polen. Dort kritisiert er Putins Geschichtspolitik – und mahnt vor einer „fantasiegetriebenen“ nationalen Erinnerung.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in Polen dazu aufgerufen, Europa als politisches Projekt zu begreifen. Europa sei mehr als ein gemeinsamer Markt, sagte Macron am Dienstag bei einem Vortrag vor Studenten der Universität Krakau. Es gehe nicht nur um Dinge wie die Freizügigkeit für Personen und Dienstleistungen.

Macron: „Ich bin zutiefst Patriot. Ich bin Franzose und Europäer“

„Europa ist nicht einfach ein Markt, es ist ein Sockel von Werten, von Rechten, von Freiheiten“, sagte Macron. Er warnte mehrfach vor dem in vielen Ländern aufkommenden Nationalismus. Geschichte dürfe sich nicht wiederholen. Auch als Europäer könne man sein Vaterland lieben. „Ich bin zutiefst Patriot. Ich bin Franzose und Europäer“, sagte Frankreichs Staatsoberhaupt.

Macron rekapitulierte die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre, in denen Polen erst das kommunistische Regime überwältigt habe und später Mitglied der EU geworden sei. Dies habe Freiheit und Zugang zum Markt gebracht. „Die Frage ist nur, ob Polen damit glücklich ist?“

Macron räumte ein, dass es im Westen Missverständnisse im Umgang mit den neuen EU-Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa gegeben habe. Häufig habe es die Einstellung gegeben, diese Länder seien früher nicht Teil Europas gewesen. Dies habe in der Region zu einem Gefühl von Erniedrigung und Enttäuschung geführt. Die Aufnahme dieser Länder sei aber keine „Erweiterung, sondern eine Wiedervereinigung Europas“ gewesen, sagte Macron.

Macron warnt vor Umschreiben der Geschichte

Frankreichs Staatsoberhaupt sagte weiter, Europa müsse eine gemeinsame Geschichte bauen. „Lasst keine Lügen über eure Geschichte zu“, appellierte er an sein Publikum. Macron warnte vor „fantasiegetriebenen“ nationalen Erinnerungen. Es gebe in Polen die Tendenz, das Wendejahr 1989 aus der Erinnerung zu streichen. Ungarn versuche, die gesamte Geschichte des 20. Jahrhunderts neu zu schreiben. „Ich sehe das russische Vorhaben, den Zweiten Weltkrieg neu interpretieren und dem polnischen Volk die Schuld zu geben.“

Frankreichs Präsident Macron und Polens Premierminister Morawiecki schütteln am Montag in Warschau die Hände.
Frankreichs Präsident Macron und Polens Premierminister Morawiecki schütteln am Montag in Warschau die Hände.

© REUTERS/Kacper Pempel

Polens Präsident Andrzej Duda wirft seinem russischen Kollegen Wladimir Putin vor, er lüge über historische Fakten und versuche, Polen die Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu geben.

Putin hatte am 20. Dezember mit Blick auf ein Treffen des früheren polnischen Außenministers Jozef Beck mit Hitler gesagt: „Was sind das überhaupt für Menschen, die mit Hitler solche Gespräche führen? Genau sie (...) haben ihr eigenes Volk, das polnische Volk, der deutschen Kriegsmaschine unterworfen. Mehr noch, sie haben mit dazu beigetragen, dass der Zweite Weltkrieg begonnen hat.“

Ähnliche Vorwürfe hatte Putin an dem Tag in einen Vortrag zur Vorgeschichte des Krieges gegen Frankreich, Großbritannien, Litauen und Lettland erhoben. Er reagierte damit auf Vorwürfe besonders Polens, die Sowjetunion habe durch den Nicht-Angriffspakt mit Nazi-Deutschland eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. In einem geheimen Zusatzprotokoll vereinbarten die Kommunisten und Nationalsozialisten eine Aufteilung Polens.

Putin sagte, auch andere Länder hätten mit den Nazis Nichtangriffspakte unterzeichnet. Zugleich meinte er, dass Moskau nie eines der Länder bezichtigt habe, den Krieg mit verursacht zu haben.

Die zweitägige Visite ist Macrons erster Besuch in Polen und der erste Besuch eines französischen Staatsoberhaupts seit 2013. Macrons Amtsvorgänger François Hollande hatte 2016 eine Reise kurzfristig abgesagt. Frankreich fühlte sich brüskiert von der Entscheidung der nationalkonservativen PiS-Regierung, einen Milliarden-Rüstungsvertrag zum Kauf von 50 französischer Caracal-Hubschrauber platzen zu lassen. (dpa)

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