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Politik: Lasst uns wieder Freunde sein Von Christoph von Marschall

Charmant ist diese Lady nicht zu jedem. Der Kanzler hat gut lachen.

Charmant ist diese Lady nicht zu jedem. Der Kanzler hat gut lachen. „Einen Freund“ nannte ihn Amerikas neue Außenministerin in Berlin, was zumindest für sein Verhältnis zu George W. Bush geschwindelt ist. Und sie lobte seine Hilfe beim Wiederaufbau des Irak, auch das überraschend für alle, die nicht wissen, was Deutschland dort trotz Schröders NeinRhetorik alles tut. Um Frankreich wirbt sie in Paris ebenfalls. Ariel Scharon und Moskaus Außenminister Lawrow dagegen ließ Condoleezza Rice mehr Entschlossenheit als Charme spüren. Israel müsse jetzt „schwer wiegende Entscheidungen“ treffen, ohne die es keinen Frieden gebe, drängte sie Scharon vor dem Gipfel heute in Ägypten. Russland drohte sie, die Demokratiedefizite könnten die Beziehungen belasten. Was besagt: Eine reine „Charmeoffensive“ ist die sechstägige Reise durch Europa und den Nahen Osten nicht. Lob und Kritik werden gezielt verteilt.

Da tut man wohl gut daran, den Harmonie-Schlagzeilen nach dem Treffen Rice- Schröder nicht zu weit zu trauen. Sie sollen die Atmosphäre für Bushs Besuch in Mainz vorgeben. Doch so leicht lässt sich die Stimmung einer Nation nicht umkehren. 70 Prozent der Deutschen glauben nach einer jüngsten Umfrage, die USA planten einen Angriff auf Iran. Da kann Rice noch so oft betonen, jetzt sei die Zeit für Diplomatie. Nach der Irakerfahrung sitzt das Misstrauen tief. Bushs „Freiheit“ klingt für viele Europäer nach Angriffsdrohung; „Diplomatie“ übersetzen sie als „letzte Warnung“, „auf keine Option verzichten“ als Ankündigung eines Militärschlags. Da schwingt die Furcht mit, die Welt sei Amerikas einsamen Entscheidungen ausgeliefert, nicht einmal die Freunde in Europa könnten Einfluss nehmen.

Rice scheint das verstanden zu haben. Und Bush? Der Kanzler wird es in Mainz testen müssen. Rice steht dem Präsidenten näher als ihr Vorgänger Colin Powell. Was sie in Berlin vortrug, klang wie eine Einladung zu Kooperation und Arbeitsteilung. Im Nahen Osten wird Amerika nach der lähmenden Passivität in der Spätzeit Jassir Arafats aktiv. Der Druck auf Israel ist bereits sichtbar. Europa kann das seine bei den Palästinensern beitragen – Aufbau einer transparenten Verwaltung, scharfe Kontrollen, dass die Hilfe nicht auf Privatkonten fließt oder gar Terrorgruppen zugute kommt. Auch für den Irak lässt Rice durchblicken, dass Deutschland über Erfahrungen verfügt, die Amerika fehlen: Wie man nach Diktatur und Zerstörung einen Staat aufbaut und wie Föderalismus die Konkurrenz rivalisierender Gruppen wie Sunniten, Schiiten und Kurden befrieden kann. Russland ist als Partner willkommen, nicht nur im Kampf gegen den Terror. Wo Moskau aber Demokratie und Freiheit behindert – ob daheim, in der Ukraine oder Georgien –, wird es auf Protest stoßen; den darf man auch laut äußern. Rice macht es vor, der Kanzler hat es mit Putin bisher anders gehalten.

Die entscheidende Probe aber ist Iran. Für Rice liegt der Fall ganz anders als der Irak; Europa und die Mullahs haben die Entwicklung in der Hand, durch einen verlässlichen Vertrag über das nachweisliche Ende der Urananreicherung. Im Ziel sind sich Amerika, Europa und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) einig: Iran darf keine Atomwaffen haben, die es eines Tages gegen Israel richten könnte. Deutschland hat da eine besondere Verantwortung. Seit anderthalb Jahren verhandelt Europa mit Teheran, das Abkommen vom Herbst 2003 hat Iran im Sommer 2004 gebrochen. Nur aus Rücksicht auf die EU, die sich mehr Zeit erbittet, haben die USA den Fall noch nicht in die UN getragen, wie es die IAEO-Statuten vorsehen. Bush unilateral, Europa multilateral? Hier ist es bisher umgekehrt.

Und wenn Europas Bemühungen scheitern? Rice und ihre Delegation lassen sich keine Andeutung auf Militärschläge entlocken. Anders als in Nordkorea könnten UN-Sanktionen in Iran greifen, die Wirtschaft ist international abhängig, das Volk nicht bereit, Not zu ertragen. Vorausgesetzt, Russland und China legen kein Veto ein. Auch da kann Schröder mit seinen Sonderbeziehungen vielleicht helfen. Der Kanzler will mehr internationale Verantwortung? Rice hat ein Angebot gemacht.

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