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Lateinamerika: Bush auf Rundreise

US-Präsident George W. Bush startet am Donnerstag eine Tour durch Lateinamerika, und sein schärfster Kritiker in der Region, Venezuelas Links-Präsident Hugo Chávez, wird sich dicht an seine Fersen heften.

Washington - Ein wenig wird es zugehen wie in der Geschichte vom Hasen und vom Igel, wenn die beiden großen Gegenspieler in den kommenden Tagen auf Reisen gehen. Wenn Bush in Uruguay eine Rede hält, wird Chávez in Argentinien einen Anti-Bush-Marsch anführen. Wenn Bush in Kolumbien ankommt, wird Chávez in Bolivien gegen die USA wettern. Chávez und seine Anhänger wollen Bush daran erinnern, dass Lateinamerika längst nicht mehr die traditionelle Hinterhof ist, in dem sich gefügige Regierungen von Washington aus fernsteuern ließen.

Vorbei die bleierne Zeit der USA-freundlichen Militärdiktaturen, die Lateinamerika in den 70er- und 80er-Jahre im Würgegriff hielten. Die Region ist demokratisch geworden, und in vielen Ländern regieren linke Parteien. Während sich die USA im Irak und in Afghanistan in ehrgeizige Kriege verstrickten, verloren sie in Südamerika an Einfluss. Dort kursierten derzeit "viele falschen Versprechungen", warnt Bushs Sicherheitsberater Stephen Hadley. Das ist auf Chávez gemünzt, der mit Hilfe reicher Öl-Einnahmen und einer scharfen Zunge für seine sozialistische Revolution wirbt. Die neuen linkspopulistischen Präsidenten in Nicaragua, Ecuador und Bolivien zählen zu seinem Lager.

Bush ringt um Anerkennung in Lateinamerika

Dermaßen beflissen bemüht sich Bush derzeit um Anerkennung in Lateinamerika, dass er sich zeitweise selbst fast wie Chávez anhört. "Dies ist meine Botschaft an die Arbeiter und Bauern", sagte Bush am Montag in Richtung Süden. "Ihr habt einen Freund in den Vereinigten Staaten. Wir kümmern uns um eure Not." Das sind ungewohnte Worte aus dem Mund eines Mannes, der sich im eigenen Land nie als Arbeiter- und Bauernführer profiliert hat. Als Gastgeschenk bringt Bush Entwicklungshilfe mit sowie das Lazarettschiff "USNS Comfort", das auf einer Tour 85.000 Lateinamerikaner behandeln soll.

Experten warnen Bush vor durchschaubaren Werbemanövern. Bushs Reise werde kein Erfolg, wenn sie "wie eine Reaktion auf Chávez" aussieht, sagt Peter DeShazo vom Center for Strategic and International Studies in Washington. Bush müsse klarmachen, "dass auf Seiten der USA ein neues Interesse an der Region" bestehe. Die meisten Beobachter sind sich einig, dass derzeit eine antiamerikanische Welle durch Lateinamerika schwappt. Chávez füllte das Machtvakuum, das die USA hier hinterlassen haben, und löste den kranken kubanischen Alt-Revolutionär Fidel Castro als Wortführer der Linken ab.

Brasilien möchte Zölle aufheben

Bush muss auf allen Reiseetappen in Brasilien, Uruguay, Kolumbien, Guatemala und Mexiko mit Gegendemonstrationen rechnen. Sein Ansehen hat in der Region einen Tiefpunkt erreicht, der von USA geführte Irak-Krieg bestätigte das alte Klischee vom rauflustigen Gringo. "Es ist unrealistisch zu glauben, dass eine einzige Reise des Präsidenten den Schaden in den Beziehungen zu Lateinamerika reparieren kann", sagt Michael Shifter vom Institituts für Inner-Amerikanischen Dialog in Washington. Bush müsse die soziale Ungerechtigkeit in Lateinamerika ansprechen und für faire Handelsbeziehungen sorgen, dann könne die Reise ein Erfolg werden.

Dies könnte Bush gleich zu Beginn der Reise in Brasilien tun. Das Land will erreichen, dass die USA die hohen Zölle auf den aus Zuckerrohr gewonnenen Bio-Sprit aus Brasilien aufheben, mit denen die US-Farmer geschützt werden. Für Bush zählt die Förderung des so genannten Ethanols zu den energiepolitischen Prioritäten, schließlich will er die Abhängigkeit seines Landes von Ölimporten lindern. Auch hier kommt wieder Chávez ins Spiel. Die USA beziehen ein Sechstel ihres Öls aus Venezuela. Der venezolanische Konzern Citgo lässt zudem alljährlich Millionen Liter Heizöl weit unter Marktpreis an Bedürftige in den USA liefern. Im US-Fernsehen laufen derzeit Spots von Citgo, in denen arme US-Bürger Venezuela für das billige Öl danken - eine Ohrfeige für Bushs Sozialpolitik. (tso/AFP)

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