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Politik: Lauter Rock und stiller Star

In Dortmund will sich die CDU für die letzte Wahlkampfphase in Siegesstimmung bringen

Berlin - An diesem Sonntag wird es in Dortmund einen CDU-Parteitag geben, der eigentlich gar kein Parteitag ist. Zwar kommen die üblichen knapp tausend Delegierten zusammen, es gibt auch ein wenig Formales zu erledigen, sogar eine Wahl findet statt: Generalsekretär Volker Kauder ist nämlich noch nicht, wie es die Satzung vorschreibt, durch einen ordentlichen Parteitag gewählt. In der Hauptsache aber ist die nur gut dreistündige Veranstaltung der Auftakt für die ganz heiße Wahlkampfphase. Entsprechend ist die Westfalenhalle auch mit einigen tausend Anhängern gefüllt, um für die richtige Jubelkulisse zu sorgen.

Anheizen soll eine Band, die Songs der Rockgruppe Queen nachspielt – „We are the champions“ zweifellos eingeschlossen. Kauder ist ein Fan der britischen Glam-Rocker. Auf der Website der deutschen Band namens „Mayqueen“ wird der Auftritt als „geschl. VA“ mitgeteilt, eingerahmt von Konzerten im Alten Freibad von Bergisch Gladbach und bei der Rocknacht des Motorradvereins in Gochsheim. Noch eine zweite, ganz spezielle Band wird einen Auftritt haben: Erstmals halten auf einem Parteitag alle Ministerpräsidenten der Union ein Grußwort.

Im Geleit von Kanzlerkandidatin Angela Merkel wird auch Paul Kirchhof in die Riesenhalle einmarschieren. So ganz zum Spektakel passt der parteilose Juraprofessor aus Heidelberg zwar nicht. Aber er ist so etwas wie der stille Star dieses Wahlkampfparteitags. Seit seiner Benennung für das Kompetenzteam Merkels vor gut einer Woche und der Ankündigung, er werde nach einem Wahlsieg Finanzminister, hat der Ex-Verfassungsrichter die Debatte bestimmt – dank seines radikalen Steuerreformkonzepts, das zwar schon einige Jahre alt ist, aber nun ins Zentrum der politischen Debatte rückt. Auch wenn er versichert, zunächst fühle er sich an das Wahlprogramm der Union gebunden.

Im rot-grünen Lager wittert man ein Gerechtigkeitsthema, weil Kirchhof einen Einheitstarif von 25 Prozent auf alle Einkommen vorschlägt. Außenminister Joschka Fischer missachtet da sogar die alte Regel, mit Namen keine Witze zu machen, schon gar keine schlechten: „Auf diesem Kirchhof wird die Gerechtigkeit begraben“, sagt er. Finanzminister Hans Eichel sieht eine „dramatische Umverteilung von oben nach unten“.

Und auch in der Union ist Kirchhof einigen nicht ganz geheuer. Gleich drei Ministerpräsidenten, die auch sonst gern mal einer Meinung sind, haben Zweifel angemeldet, ob denn Kirchhofs ehrgeiziges Konzept wirklich aufgehen kann. Roland Koch hätte gerne „bewiesen“, dass Kirchhofs Modell wirklich gerecht sei. Christian Wulff geht ein Schrittchen weiter und konstatiert bereits, dass ein einheitlicher niedriger Steuersatz für alle „dem deutschen Gerechtigkeitsgefühl“ widerspreche. Und Günther Oettinger sorgt sich um die öffentlichen Etats, weil Kirchhofs Modell erst einmal Löcher in die Kassen reißt. Nach einer Umfrage für den „Spiegel“ plädieren allerdings drei Viertel der Unionsanhänger für den Professor als Finanzminister. Unter allen Befragten ist es immerhin die Hälfte. Bei den Bürgern kommt Kirchhof offenbar an.

Merkels Kalkül scheint also aufzugehen. Kirchhofs Bestallung weckt Fantasie in einem Wahlkampf, der bislang kein zündendes Thema hatte. In Dortmund wird der stille Star an diesem Sonntag freilich im wahrsten Sinne still sein. Eine Rede ist nach der Parteitagsregie nicht vorgesehen.

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