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Kreditkartenabrechnung

© dpa

LBB-Skandal: "Daten in Schuhkartons"

Wie konnten zehntausende vertrauliche Kreditkartendaten abhanden kommen? Eine Sonderermittlungsgruppe soll dies nun klären. Unterdessen kritisieren Verbraucherschützer im Skandal um die Landesbank Berlin Finanzbranche und Politik.

Frankfurt am Main - Zur Aufklärung des bundesweiten Skandals um Daten der Landesbank Berlin hat die Polizei in Frankfurt am Main eine Sonderermittlungsgruppe gebildet. Mehr als zehn Beamte sollten rekonstruieren, wie zehn tausende vertrauliche Kreditkartendaten abhandenkommen konnten, sagte ein Polizeisprecher in Frankfurt am Main am Montag. Der Datensatz war vermutlich bei einer Kurierfahrt vom Abrechnungsdienstleiter Atos Worldline in Frankfurt zur LBB verschwunden. Zu den Ergebnissen einer Befragung von Mitarbeitern der Landesbank und von Atos Worldline äußerte sich der Sprecher nicht. Es gebe aber noch keinen konkreten Tatverdacht. Nach wie vor ist unklar, ob die Kreditkartendaten – darunter Namen, Kontonummern und detaillierte Buchungs vorgänge – verloren gingen oder gestohlen wurden. Eine LBB-Sprecherin kündigte an, mit externen Sachverständigen die Sicherheitsstandards zu erhöhen.

Gerd Billen, der Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, kritisierte im Gespräch mit dem Tagesspiegel Lücken im Datenschutz auch nach der jetzt auf den Weg gebrachten Reform des Datenschutzgesetzes. Das Bundes kabinett hatte vergangene Woche eine Neufassung auf den Weg gebracht, um Missbrauch und illegalen Handel mit Daten zu bekämpfen: „Absoluter Datenschutz ist nicht möglich, man kann und muss ihn aber ans 21. Jahrhundert anpassen“, sagte Billen. „Das heißt etwa, dass niemand Kreditkartengeschäfte anbieten darf, der nicht für den höchstmöglichen Sicherheitsstandard garantieren kann. Und die Anbieter müssen auch in der Lage sein, ihren Subunternehmen auf die Finger zu schauen und notfalls zu hauen. Dass Mikrofiches in Schuhkartons durch die Gegend gefahren werden, ist zum Beispiel nicht der Stand der Technik.“ Nach Aussage der Landesbank Berlin vom Wochenende hatte ihre Servicefirma Atos Wordline die Daten per Kurier in einem Karton nach Berlin senden wollen; dort kam er jedoch nie an.

Verbraucherschützer Billen sieht auch die Zielrichtung der Datenschutznovelle kritisch: „Man kümmert sich um die Datenhoheit und Einwilligung bei der Weitergabe, aber nicht darum, wer Zugriff hat, wie die Daten gespeichert und transportiert werden und ob tatsächlich nur die nötigen Daten erhoben wurden.“ Außerdem müsse Datenschutz auch juristisch ein Verbraucherrecht werden. Derzeit müsse noch jeder, von dessen Konto illegal Geld abgehoben wird, selbst klagen. „Wir Verbraucherschützer müssen da leider vielfach tatenlos zusehen, da wir keine effektiven Klageinstrumente bei Datenschutzverstößen haben. Zudem sind die Aufsichtsbehörden personell völlig unzureichend ausgestattet: In einigen Bundesländern ist ein Mitarbeiter für die Überwachung von 100 000 Unternehmen zuständig.“ Billen: Wir reden über Pirateneinsätze vor Afrika, haben aber die Datenpiraten vor der eigenen Haustür. Die neuen Datenskandale der vergangenen Woche sind vermutlich nach wie vor nur die Spitze eines großen Eisbergs.

Auch die Politik sieht nach dem Berliner Datenskandal neuen Handlungs bedarf. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat eine „lückenlose“ Aufklärung des Datenskandals bei der Berliner Landesbank (LBB) gefordert. Dieser neuerliche Vorfall zeige, „dass uns das Thema Datenschutz weiter intensiv beschäftigen wird“, sagte sie der „Berliner Zeitung“. Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser- Schnarrenberger nannte die Gesetzespläne der Bundesregierung unzureichend. „Die wirklich drängenden Aufgaben des Datenschutzes bleiben bislang unerledigt“, kritisierte die ehemalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger am Montag in Berlin. Die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz müssten endlich in die Lage versetzt werden, auch verdachtsunabhängig kontrollieren zu dürfen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte eine „groß angelegte Datenschutzinitiative“ gefordert. „Wir brauchen eine schlagkräftige Datenschutzpolizei“, sagte Wiefelspütz der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“ vom Montag. „Der Umgang mit Daten in Privatfirmen muss viel stärker kontrolliert werden als bisher. Dazu benötigen die staatlichen Datenschutz beauftragten mehr Personal und eine bessere finanzielle Ausstattung“, sagte der SPD-Politiker. Die Novelle aus dem Innenministerium könne da „nur ein erster Schritt sein“. mit AFP/dpa

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