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Lebende Legende: Kuba feiert Castros 85. Geburtstag

Der ehemalige Staats- und Parteichef wird 85 Jahre alt. Und hat eine späte Einsicht: „Das System funktioniert nicht einmal mehr für uns“, sagte er erst vor kurzem.

Wenn es so etwas wie einen Weltmeister der politischen Stehaufmännchen gäbe, hätte Fidel Castro gute Chancen auf das Siegertreppchen. Am Samstag wurde der ewige Revolutionär 85. Über 600 Attentatsversuche, Invasionen und den Zusammenbruch der Sowjetunion hat er überstanden, elf US-Präsidenten die Stirn geboten und zuletzt eine schwere Darm-Divertikulitis überlebt.

Seit 2007 ist er zwar nicht mehr formell Staatschef, aber von seinem Krankenbett aus wacht er noch immer über die Geschicke Kubas und meldet sich dann und wann mit einer Kolumne, einem Foto oder kurzen Filmaufnahmen zurück. Offiziell führt sein jüngerer Bruder Raúl die Amtsgeschäfte, doch Fidel lässt es sich nicht nehmen, Staatsgäste persönlich zu umsorgen. Insbesondere, wenn sie politisch wichtig sind, wie etwa Venezuelas Staatschef Hugo Chavez. Es war Fidel persönlich, der dem 30 Jahre Jüngeren im Juli die Hiobsbotschaft seiner Krebserkrankung überbrachte. Chavez weinte, dann machten die beiden zusammen mit Raúl ein Foto für die Geschichtsbücher.

Eine lebende Legende ist Fidel schon länger. Ausstellungen, Konzerte, Festreden, Sportveranstaltungen, Blutspende- und Putzaktionen sowie die erste Homosexuellen-Ehe fanden ihm zu Ehren am 13. August statt. Denn alles, was in Kuba passiert, hat mit Fidel zu tun. Seit 1959 hat der Comandante das Sagen auf der Zuckerinsel; fast drei Viertel der elf Millionen Kubaner haben nie einen anderen Staatschef gekannt. Der in der Provinz Oriente geborene, uneheliche Sohn eines aus Spanien eingewanderten Gutsherren galt auf der Jesuitenschule als ehrgeizig, intelligent, aber auch jähzornig. In den vierziger Jahren organisierte der Jurastudent Proteste gegen Diktator Fulgencio Batista. Zweimal scheiterten Castros Umsturzversuche. Als er schließlich die Macht übernahm, verwirklichte er seine sozialistischen Vorstellungen. Seither gibt es für Kubaner kostenlose Ausbildung und Gesundheitsfürsorge – davon können andere Latinos nur träumen. Und deshalb erfreut sich der charismatische Comandante bei vielen Kubanern noch immer großer Beliebtheit.

Erkauft wurde der soziale Fortschritt mit politischer Versteinerung: Kritiker und Konkurrenten duldete Castro nie. Andersdenkende sind für ihn „Vaterlandsverräter“ und landen im Exil oder im Gefängnis. Auch wirtschaftlich geriet der Sozialismus immer mehr in Schieflage, heute kann die ineffiziente Mangelwirtschaft nicht einmal mehr Castro schönreden. „Das System funktioniert nicht einmal mehr für uns“, diktierte er vor einigen Monaten einer Reporterin ins Mikrofon. Obwohl er sich anschließend beeilte, das Zitat als „aus dem Kontext gerissen“ zu disqualifizieren, so spricht die Realität doch Bände. Seitdem er 2006 die Zügel übernahm, versucht Raúl mit marktwirtschaftlichen Reformen das Land wieder flottzumachen. Wirtschaftliche Liberalisierung und politische Repression lautet die Formel, die sich Raúl in China und Vietnam abgeguckt hat.

Im Ausland wurde Fidel gehasst oder geliebt, nie aber ignoriert. Die Kameras der Welt übertrugen, wann immer er dem Kapitalismus die Leviten las. Doch der Elan der Anfangsjahre ist verpufft. Öffentliche Auftritte gibt es nur noch selten, einer der letzten, auf der Treppe der legendären Universität von Havanna, wirkte eher pathetisch: ein müder, machmal unverständlich brabbelnder Fidel, gelangweilte Studenten, die gähnten, sich unterhielten oder SMS schickten. Dennoch genießt Fidel derzeit so etwas wie einen zweiten Frühling. Mit Chavez wuchs ihm ein Ziehsohn heran, der nicht nur Kubas chronisches Energiedefizit mit billigem Erdöl ausglich, sondern der es sich auch zur Aufgabe machte, die Fackel der sozialistischen Revolution hochzuhalten.

Das Privatleben Fidels wurde stets unter Verschluss gehalten. Er soll viele Häuser und Ländereien besitzen; unterwegs war er immer mit einer Karawane dreier völlig gleicher, schwarzer Mercedes-Limousinen. Fidel liebt schöne Frauen, Meeresfrüchte, gute Weine und schottischen Whisky, hat sein Freund, der kolumbianische Nobelpreisträger Gabriel García Márquez, berichtet. Liebschaften werden ihm viele nachgesagt, Kinder zu Dutzenden, verheiratet war er offiziell nur einmal – mit seiner Studienfreundin Mirta Diaz Balart. Als seine große Liebe galt Celia Sanchez. Sie kämpfte an seiner Seite und war eine der wenigen Personen, die es wagten, ihm zu widersprechen. Ihr Krebstod im Jahre 1980 war für Castro eine persönliche Tragödie. Seit 30 Jahren lebt er mit der blonden, grünäugigen Delia Soto zusammen. Gemeinsam haben sie fünf Söhne.

Mit Veranstaltungen im ganzen Land feierte Kuba am Samstag den Geburtstag des einstigen Máximo Líder. Als Höhepunkt der Feierlichkeiten fand im Karl-Marx-Theater in der Hauptstadt Havanna ein „Ständchen der Treue“ für Castro statt, das die Stiftung seines verstorbenen Freundes, des ecuadorianischen Malers Oswaldo Guayasamín, organisiert. Der erkrankte Castro selbst nahm nicht teil.

Sandra Weiß

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