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Im Feuer. Das Foto entstand 2009 nach dem Mord an einer Romafamilie. Foto: dpa

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Politik: Lebenslang für Roma-Mörder

Vor fünf Jahren gab es in Ungarn eine rechtsradikale Mordserie. Nun wurden die Täter bestraft – die Angehörigen der Opfer tröstet das nicht.

Budapest - Ein winziger Gerichtssaal, in den bei Gedränge 150 Menschen passen. Der Blick fällt wie in eine Arena. Dort sitzen Richter, Staatsanwalt, Anwälte, Angeklagte und Polizisten. Wenn die Opfer aussagen, stehen die Täter einen Meter hinter ihnen. Und wenn die Prozessbeteiligten sprechen, dann so leise, dass meistens nur Satzfetzen zu verstehen sind.

Unter diesen Bedingungen fand zweieinhalb Jahre lang der Prozess gegen die sogenannten Roma-Mörder statt – vier rechtsextreme Männer, denen zur Last gelegt wird, 2008/2009 sechs Roma ermordet und 55 Menschen, fast alle Roma, zum Teil lebensgefährlich verletzt zu haben. Es war eine in der ungarischen Nachkriegsgeschichte einmalige rassistische Anschlags- und Mordserie. Meistens zündeten sie die Häuser der Opfer an und schossen dann auf die Flüchtenden.

Die Angeklagten bestritten die Taten bis zuletzt, doch an ihrer Schuld bestanden kaum Zweifel. Mittels eines DNA- Nachweises ist belegt, dass sie an den Tatorten waren und geschossen haben. Am Dienstag fiel das erstinstanzliche Urteil gegen die Täter: Drei von ihnen, die Brüder Arpad und Istvan Kiss sowie Zsolt Petö, erhielten „tatsächlich lebenslängliche“ Freiheitsstrafen, werden also, wenn das Urteil rechtskräftig ist, Zeit ihres Lebens in Haft bleiben. Die Anwälte der drei Verurteilten kündigten Berufung an. Der vierte Angeklagte, Istvan Csontos, wurde als Komplize zu 13 Jahren Haft verurteilt.

„Die Härte des Urteils ist den Taten völlig angemessen“, kommentiert der Roma- Bürgerrechtler und langjährige Prozessbeobachter Aladar Horvath das Urteil. „Unangemessen ist leider die Einstufung der Straftaten als schlichter Mord aus niederen Beweggründen.“ Tatsächlich sind die vier Verurteilten keine isolierten Einzeltäter. Sie waren in der ostungarischen Großstadt Debrecen, wo sie im August 2009 auch gefasst wurden, in rechtsextreme und neonazistische Netzwerke eingebunden. Sie begriffen sich offenbar, wie sie in Interviews nach ihrer Verhaftung durchblicken ließen, als Vorhut einer Bewegung, die sich die „Lösung des Zigeunerproblems“ zum Ziel gesetzt hatte.

Hätten die ungarischen Ermittlungsbehörden den sich frühzeitig abzeichnenden rechtsextremen Hintergrund der Anschlags- und Mordserie ernst genommen, hätten einige Anschläge und Morde möglicherweise verhindert werden können. Ungarns Geheimdienste schweigen bis heute über ihre Rolle bei den Morden.

Eva Koka tröstet das Urteil nicht. Ihr Mann Jenö wurde am 22. April 2009 im ostungarischen Dorf Tiszalök getötet. Sie lebt bei ihren Kindern, ihr Anwalt Laszlo Helmeczy unterstützt sie finanziell. „Die Mörder haben nicht nur meinen Mann umgebracht“, sagt Eva Koka. „Sie haben auch mich zerstört.“ Keno Verseck

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