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Lebensmittel: Ohne Gentechnik – fast

Lob für das neue Label, was so neu nicht ist. Immerhin: Verbraucher können nun bei Eiern, Fleisch und Milch auswählen, ob sie lieber genmanipuliert essen oder nicht.

Berlin - Willkommen in der großen Koalition: Da trifft sich am Sonntagabend im Landwirtschaftsministerium eine Koalitionsrunde zum Gentechnikgesetz, das seine erste Lesung im Bundestag schon hinter sich hat, und handelt einen Kompromiss aus. Am Montag stellt sich Agrarstaatssekretär Gert Lindemann vor die Presse und verkündet lauter Neuigkeiten, die sein Chef, Agrarminister Horst Seehofer (CSU), Anfang August 2007 schon mal als Neuigkeit verkauft hat.

Das Klima in der großen Koalition lässt derzeit offenbar nur gemeinsame Vorhaben zu, die längst beschlossen sind. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte dem Tagesspiegel: „Ja, eigentlich ging es nur noch um ein paar Details.“ Welche, konnte sie aber nicht sagen. Der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sagte dem Tagesspiegel: „Die Koalitionsfraktionen haben einen Änderungsantrag zum Gentechnikgesetz vereinbart.“ Ende Januar beschließt der Bundestag das neue Gesetz, dessen Hauptkennzeichen ist, dass es vieles so lässt, wie Seehofers Vorgängerin Renate Künast (Grüne) das durchgesetzt hat. Dann geht es in den Bundesrat.

Es bleibt dabei: Wenn ein Bauer gentechnisch veränderte Organismen (GVO) anbaut – derzeit ist nur eine Maissorte mit eingebautem Insektizid, der Mon 810, in Europa auf dem Markt –, muss er für Schäden bei Nachbarn haften. Lässt sich der genaue Verursacher nicht finden, müssen sämtliche Gentechbauern in der Umgebung des Geschädigten gemeinsam haften. Neu ist, dass Nachbarn durch private Absprachen von der „guten fachlichen Praxis“ abweichen dürften, nach welcher der Mindestabstand zwischen Genmaisfeldern und konventionellem Mais 150 und zu Ökomais 300 Meter betragen muss. Solche Absprachen, und das ist Inhalt der Koalitionseinigung vom Sonntag, müssen aber ins öffentlich zugängliche Standortregister eingetragen werden. Damit ist Ulrich Kelber ziemlich zufrieden.

Lob von Umweltverbänden gab es auch schon vor einem halben Jahr für die Ankündigung des Ministeriums, eine Verordnung über eine Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ vorzulegen. Der Text liegt allerdings immer noch nicht vor. Die neue Kennzeichnung zielt auf tierische Produkte. Bei Fleisch, Milch und Eiern muss nicht darauf hingewiesen werden, ob die Tiere mit Genfuttermitteln ernährt worden sind, weil diese Produkte aus der EU-Kennzeichnungsverordnung rausfallen. „Um überhaupt einen Markt für gentechnikfreie Futtermittel zu schaffen“, wie Kelber sagt, sei die neue Kennzeichnung gedacht. Das findet auch Tina Löffelbein von Greenpeace „ausnahmsweise nicht schlecht“. Für Käse, der „ohne Gentechnik“ hergestellt wurde, dürfen auch bei der Produktion keine GVO eingesetzt werden, bei der Erzeugung der Futtermittel können sie jedoch dann noch zum Einsatz kommen, wenn auf dem Weltmarkt keine anderen Stoffe zur Verfügung stehen und die eingesetzten Enzyme oder Aromen in der EU-Ökoverordnung erlaubt sind. Der Hähnchenmäster Wiesenhof denkt nach Auskunft einer Sprecherin darüber nach, seine Produkte mit dem neuen Label zu kennzeichnen. Denn Wiesenhof füttert seine Hühner schon seit Jahren mit Sojaschrot ohne Gentechnik.

Ulrich Kelber findet, dass das neue Kennzeichen ein „Durchbruch bei der Wahlfreiheit der Verbraucher“ sei. Es sei „praxisnah und scharf“. Kritik übt vor allem die Lebensmittelwirtschaft, die eine „Irreführung der Verbraucher“ sieht.

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