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Freie Fahrt: Die riesigen Containerschiffe benötigen eine tiefere Fahrrinne auf der Elbe.

© dpa

Leipziger Gericht bremst Elbvertiefung: Schützt den Wasserfenchel

Leipziger Gericht erlaubt Elbvertiefung – und stoppt sie zugleich für längere Zeit. Grund: Es fehlt an geplanten Schutzmaßnahmen für den Schierlings-Wasserfenchel.

Die Schwimmbagger können noch nicht auslaufen, die Ingenieure müssen ihre Pläne erneut überarbeiten. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich die Erlaubnis für eine Vertiefung der Elbe gegeben, doch Hamburg und der Bund, die den Planfeststellungsbeschluss vorgelegt haben, müssen Mängel daran beseitigen. Damit liegt das Großprojekt, das der Hamburger Hafen dringend benötigt, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, erneut für Monate oder sogar Jahre auf Eis.

Richter Rüdiger Nolte vom Siebten Senat in Leipzig rügte den vorgelegten Beschluss zur Planfeststellung als „rechtswidrig und nicht nachvollziehbar“. Dies führe jedoch nicht zu dessen Aufhebung. Die Behörden könnten nachbessern. „Die weitergehenden Klageanträge auf Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse hat das Gericht abgewiesen“, sagte Nolte. Ein Punkt, den das Gericht bemängelt: Es fehlt an geplanten Schutzmaßnahmen für den Schierlings-Wasserfenchel. Diese bedrohte Pflanze wächst nur noch an der Unterelbe. Hamburg hatte versucht, ein Areal als Ausgleichsfläche zu deklarieren, das ohnehin schon für den Artenschutz vorgesehen war. Richter Rüdiger Nolte konstatierte in seinen Ausführungen zum Urteil, das Projekte zur Infrastruktur wie die geplante Elbvertiefung immer komplexer und unwägbarer würden, weil der Gesetzgeber zunehmend mehr Wert auf den Umwelt- und Naturschutz legt: „Das Klima für solche Planungen ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich rauer geworden.“

Seit 15 Jahren wird um das Projekt gerungen. Ohne eine Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne der Elbe über rund 130 Kilometer von der Nordsee bis zum Hamburger Hafen können die größten Containerschiffe mit einem Tiefgang von bis zu 13,50 Metern die Hansestadt nicht mehr problemlos anlaufen. Zudem brauchen die schwimmenden Riesen bessere Möglichkeiten, einander beim Ein- und Auslaufen passieren zu können. Scheitert der Ausbau der Elb-Fahrrinne, dürfte das „Tor zur Welt“ vor allem in Richtung Asien langsam zugehen. Auf diesen Strecken setzen die Reedereien die größten Schiffe ein.

Im Sommer 2012 zogen die Umweltverbände Bund und Nabu gegen das seit Jahren komplexeste deutsche Verkehrsprojekt vor das Bundesverwaltungsgericht. Sie bezweifeln grundsätzlich die Notwendigkeit der Elbvertiefung. Zudem verstoße das Vorhaben gegen Naturschutz- und Wasserrecht. Zweimal war über das Projekt, das mehrere hundert Millionen Euro kosten soll, mündlich verhandelt worden. Zwischenzeitlich ruhte das Verfahren, weil der Europäische Gerichtshof Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie beantworten musste.

Laut Hamburger Hafenwirtschaft ist die Elbvertiefung unverzichtbar

Die wichtigste Wasserstraße Deutschlands wurde seit Beginn des 20. Jahrhundert bereits sechsmal den sich verändernden Anforderungen der Schifffahrt angepasst, zuletzt 1999. Laut der Hamburger Hafenwirtschaft ist die erneute Elbvertiefung unverzichtbar. Vom Hafen, dem zweitgrößten Europas, hingen direkt und indirekt 260 000 Arbeitsplätze ab. 2016 wurden hier rund neun Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen. Allerdings sinkt der Marktanteil Hamburgs seit Jahren.

Das hat mehrere Gründe: Konkurrenten wie Antwerpen und Bremerhaven gewinnen hinzu und der Handel zwischen China und Europa schwächelt gegenwärtig. Außerdem wird die marode Infrastruktur im Hafenhinterland angeführt. Straßen und Brücken sind in einem derart schlechten Zustand, dass Weitertransporte schwerer Produkte wie Turbinen für Windkraftanlagen kaum noch möglich sind.

Das Urteil aus Leipzig wird von beiden Parteien, Klägern wie Beklagten, als Erfolg für die eigene Sache gewertet. Die Wirtschaft der Metropolregion gibt sich gelassen. Die Mehrheit der Hamburger Unternehmen glaubt noch immer an die Elbvertiefung. Mut mache insbesondere die Äußerung des Gerichts, dass es sich bei den geforderten Nachbesserungen um begrenzte Maßnahmen handle, nach denen „dieses Verfahren relativ schnell beendet werden kann“. Beklagt wird allerdings von vielen Betrieben, dass es erneut zu Verzögerungen kommt. Wolfgang Blank, Vorsitzender der IHK Nord, erklärte: „Eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte für die norddeutsche Wirtschaft kommt nicht schnell genug voran.“

Die Börse bewertet das Urteil aus Leipzig als herben Rückschlag für die Planer. Der Aktienkurs des Hafenlogistikers HHLA brach unmittelbar nach der Verkündung des Richterspruchs deutlich ein.

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