zum Hauptinhalt

Politik: Leitartikel: Das missbrauchte Vermächtnis

Demokraten errichten ihren Politikern nicht gerne Denkmäler. Demokraten haben auch zum Begriff des historischen Helden ein distanziertes Verhältnis.

Demokraten errichten ihren Politikern nicht gerne Denkmäler. Demokraten haben auch zum Begriff des historischen Helden ein distanziertes Verhältnis. Die modernen Demokraten kennen ihr Führungspersonal zu gut, man weiß, wie fehlbar sie alle sind. Die Friedrichs und Bismarcks in unseren Städten stammen aus einer Zeit, in der es das Volk noch nicht so genau wusste. Die wenigen Denkmäler der Demokratie sind hochskrupulös, beinahe Karikaturen. Der Adenauerkopf in Bonn, die Willy-Brandt-Statue in der Berliner SPD-Parteizentrale. Beinahe Anti-Denkmäler.

Die PDS möchte in Berlin ein Rosa-Luxemburg-Denkmal bauen lassen. Über die historische Gestalt Luxemburg lässt sich eine Menge sagen - ja, sie war eine hellsichtige Kritikerin Lenins, aber keine Demokratin im Sinne des Grundgesetzes. Ein Musterdemokrat ist Bismarck auch nicht gewesen. Ja, sie hat den Satz von der Freiheit geprägt, die immer die Freiheit des Andersdenkenden ist, ja, sie ist 1989 eine Ikone der DDR-Opposition geworden. Kommt es darauf an? Nein. Es kommt nicht auf Rosa Luxemburgs Fehler oder Verdienste an, sondern darauf, ob wir wieder anfangen sollen, Denkmäler zu bauen. Ob wir die Politik aus der Ebene des Pragmatismus wieder auf die Höhen der religiösen Empfindung führen. Das ist die Absicht der PDS.

Karl Marx hatte die Bedeutung des Einzelnen in der Geschichte stark relativiert. Der Gang der Geschichte hängt nicht vom Einzelnen ab, sagt Marx, nicht vom Helden oder vom Politiker, sondern vom Kampf der Klassen. In kaum einer Hinsicht haben die Kommunisten das Erbe ihres geistigen Vaters so skrupellos verraten wie in dieser. Überall haben sie ihre weltlichen Heiligenstatuen gebaut, für Lenin, für Stalin, für Thälmann und andere Übermenschen. Sie haben eine aggressive Ersatzreligion gegründet.

Diese Religion möchte die PDS auf verschämte Weise neu gründen. Denn so abstrakt oder unheroisch ein neues Luxemburg-Denkmal auch ausfallen mag, es knüpft an die pseudoreligiöse Tradition an. Rosa Luxemburg war Kommunistin, aber sie hat sich die Hände nicht schmutzig gemacht. Es klebt kein Blut an ihr, sie war Opfer. Darauf kommt es an - ein Monument zu errichten, das Kommunisten als Opfer zeigt, statt als Täter. Das Denkmal soll nur zum Schein Rosa Luxemburg gewidmet sein, in Wirklichkeit ist es ein Denkmal für die moralische Reinheit der sozialistischen Idee.

An einem Denkmal für Walther Rathenau ist die PDS nicht interessiert. Von der Rechten ermordet, ach ja? Rathenau war eben nur ein bürgerlicher Politiker. Mag sein, dass der Sozialismus unsterblich ist. Aber gerade in dieser Form, die den Wert eines Menschenlebens von der Gesinnung abhängig macht, möchte man ihm nicht wieder begegnen.

1926 hat Ludwig Mies van der Rohe in Berlin ein Luxemburg-Denkmal entworfen, die Nazis ließen es abreißen. Die SED hätte es wieder aufbauen können. Aber Mies war in die USA ins Exil gegangen statt in die UdSSR, und sein Denkmal war abstrakt. Ein Demokrat. Ein Ketzer. Über den Wiederaufbau des Mies-Denkmals könnte man diskutieren. Aber es gibt in Berlin schon mindestens ein halbes Dutzend Gedenkplaketten, Gedenkstätten und Stelen für Rosa Luxemburg. Nicht zu vergessen: den Rosa-Luxemburg-Platz. Dort soll das Denkmal hin.

Das große Thema des Berliner Kultursenators Thomas Flierl, PDS, ist der öffentliche Raum. Flierl möchte Straßen und Plätze möglichst frei halten von den bunten Werbesignalen des Kapitalismus. Die Plätze sollen wieder so aussehen, als ob sie allen gehören. Das ist ein Gedanke, dem auch Konservative und Liberale etwas abgewinnen können. Aber mit dem Luxemburg-Denkmal betreibt Flierl gleichzeitig die Rückeroberung des öffentlichen Raums durch seine Partei. Seine Absichten verbirgt er hinter Phrasen.Das geplante Denkmal solle "die verdrängte NS-Geschichte des Platzes reflektieren".

Die verdrängte Geschichte des Rosa-Luxemburg-Platzes sieht so aus: 1932 haben dort Kommunisten zwei Polizisten erschossen. Einer der Täter war Erich Mielke, der spätere DDR-Stasichef. Ein Denkmal für die ermordeten Polizisten, wäre das in den Augen der PDS eine gute Idee? Sicher nicht. Auch sie haben nicht der richtigen Kirche angehört, im Gegensatz zu ihren Mördern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false