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Politik: Leitartikel: Kaum zu glauben

Zwischen Aschaffenburg südlich von Frankfurt am Main und Hoyerswerda weit im Süden von Frankfurt an der Oder liegen rund 400 Kilometer. Und Welten.

Zwischen Aschaffenburg südlich von Frankfurt am Main und Hoyerswerda weit im Süden von Frankfurt an der Oder liegen rund 400 Kilometer. Und Welten. Denn in der Region nahe der Geldmetropole wohnen die zufriedensten Menschen Deutschlands, südlich der Stadt Kleists die unzufriedensten. Eine große Umfrage förderte das zu Tage.

Natürlich gibt es Gründe dafür, dass die Menschen am Main so selbstbewusst in sich ruhen und die Deutschen im Osten so verzweifelt sind. Vielleicht waren die Eltern der Franken vor 50 Jahren auch deprimiert. Vielleicht werden die Enkel der Lausitzer von heute stolz auf das Erreichte sein. Kann sein, muss nicht. Gewiss ist, dass viele Menschen vor einem halben Jahrhundert noch an so etwas wie Wunder geglaubt haben und dass heute, hier wie dort, eine Mehrheit von ihnen weder etwas von Wundern noch vom Glauben hält. Vielleicht versetzt der Glaube ja keine Berge, aber dass die Resignation auch dort welche sieht, wo keine sind, das ist ganz sicher.

Glauben, Glaube, ist offenbar teilweise aus der Mode gekommen. Auch Ostern scheint übrigens nicht mehr so recht in zu sein. Nur die Hälfte der Deutschen weiß noch, um was es da ging. Das Feiern selbst ist aber zumindest zur Modeerscheinung geworden. Visagisten und Coiffeure erklären uns, welche Farben wir Ostern tragen müssen. Es ist mit Ostern wie auch sonst so oft: Wenn die Inhalte unwichtig werden, muss die Verpackung umso prächtiger sein.

Manche Inhalte sind ja auch irgendwie unzeitgemäß. Uncool. Deshalb passt so etwas wie Hoffnung oder Vertrauen einigen Menschen nicht mehr in die persönliche Landschaft. Alles zutiefst unmoderne Begriffe. Sie wissen ja alles. Wissen vor allem, dass es nur noch schlimmer kommt. Darüber kann man - echt - verzweifelt werden. Kein Glaube, keine Hoffnung, kein Vertrauen, da muss man doch resignieren, jeder still für sich. Denn beim Großreinemachen in der Gefühlswelt haben die sich so abgeklärt gebenden Köpfe auch die Gemeinsamkeiten aus den Emotionsregalen geschmissen. Der Mächtige ist nämlich nur alleine stark. Das ganze Gefühlsblabla passt nicht in unsere aufgeklärte Zeit.

Das klingt ziemlich zynisch. Das Erstaunliche ist nur, dass viele wirklich kluge Menschen, die mit Durchblick, die wissen, wie die Welt tickt, keine Zyniker sind. Die meisten großen Naturwissenschaftler und Ingenieure haben in sich einen Platz gelassen für Dinge wie Hoffen, Glauben, Vertrauen. Sie würden es bestimmt nicht ihren virtuellen Herrgottswinkel nennen, so altväterlich-barock ist keiner von denen. Und weil Unmodernes, wenn es erst einmal weg ist, sich oft als eigentlich unverzichtbar erweist, merken immer mehr Menschen, dass Vertrauen, Hoffnung, Glauben, ganz positive Gefühle sind. Gefühle, die für sich alleine die Welt noch nicht ändern. Die aber Verändern viel leichter machen.

Da ist also etwas wieder auferstanden, das wir schon tot wähnten, etwas sehr Wichtiges, das unser Leben verändert. Das passt zu Ostern, klar. Aber man darf diesen Glauben auch am Dienstag noch unbesorgt herauskramen, diesen Glauben daran, dass das Schlimmste die Resignation ist, das dumpfe sich Dreinschicken. Ganz gleich, ob in Hoyerswerda oder in Aschaffenburg.

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