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Leitwährung: Supermächte der Zukunft beraten über die Ablösung des Dollars

Eine neue Leitwährung ist das Spitzenthema beim Treffen von China, Russland, Indien und Brasilien. Südamerika orientiert sich nach Asien.

Gerade war Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin da, jetzt reist Präsident Dimitri Medwedew durch Lateinamerika. Nach Argentinien wird er am Donnerstag in Brasilien erwartet und dort auf keinen Geringeren treffen als Chinas Staatschef Hu Jintao – ebenfalls ein alter Bekannter in Lateinamerika. Gastgeber der beiden ist Präsident Luiz Inacio „Lula“ da Silva, der zudem Indiens Premier Manmoham Singh eingeladen hat.

Zusammen bilden sie die „Bric-Staaten“, ein Kürzel, gebildet aus den Anfangsbuchstaben der Länder, die Politikwissenschaftler für die Supermächte des 21. Jahrhunderts halten. Also diejenigen, die demnächst die Agenda der Welt bestimmen werden. Nach Einschätzung der Investmentfirma Goldman Sachs dürften die vier bis zum Jahr 2050 die dominierenden Wirtschaftskräfte werden, mit rund 40 Prozent der Weltbevölkerung, einem Viertel der Erdoberfläche und einem Wirtschaftsaufkommen von fast 35 Trillionen Dollar.

Entsprechend interessiert verfolgt die Supermacht des 20. Jahrhunderts das Treffen: Die USA sind auf ihrem Kontinent in den vergangenen zehn Jahren stark ins Hintertreffen geraten. Die politische Vernachlässigung unter George W. Bush ging einher mit dem Linksruck in Lateinamerika und der entsprechenden Neuausrichtung der außenpolitischen Beziehungen durch Staaten wie Brasilien, Argentinien, Venezuela, Ecuador und Bolivien. Brasilien gehört zu den dezidiertesten Kritikern der Washingtoner Handelsdiplomatie, die nach Lulas Meinung darin besteht, den US-Markt mit unlauteren Subventionen und Handelshemmnissen abzuschotten und andere Länder zur Öffnung ihrer eigenen Märkte zu zwingen.

Diese Debatte katapultierte die Allianz der Schwellenländer auch auf die internationalen Bühne. Gemeinsam mit Indien und China und unterstützt von zahlreichen Entwicklungsländern ließ Brasilien 2003 den WTO-Gipfel im mexikanischen Cancun platzen. Der Streit mit den Industrieländern um die Agrarsubventionen blockiert bis heute weitere Liberalisierungsabkommen. Ähnlich strittig ist das Thema, das jetzt beim Bric-Gipfel ganz oben auf der Tagesordnung steht und besonders Lula ein Anliegen ist: der Ersatz des Dollars als Leitwährung im gemeinsamen Handel.

Das Thema ist keineswegs marginal, denn die wirtschaftlichen Beziehungen haben sich intensiviert. Geschickt hat Peking das Vakuum genützt, das in Lateinamerika durch das Desinteresse der Nordamerikaner und der Europäer entstanden ist. Während weder die Verhandlungen zwischen den USA und den Lateinamerikanern über die gesamtamerikanische Freihandelszone (Alca) noch die Gespräche zwischen der EU und dem Gemeinsamen Südamerikanischen Markt (Mercosur) über ein Handelsabkommen vorankommen, hat China Dutzende von Handelsabkommen geschlossen, Kredite vergeben, Banken und Nachrichtenagenturen eröffnet. Bodenschätze, Telekommunikation, Transport, Dienstleistungen, Agrar- und Forstwirtschaft interessieren Peking besonders. Dabei geht es auch um komplexe, sensible Technologie. Das Handelsvolumen zwischen China und Lateinamerika belief sich 2009 auf 120 Milliarden Dollar. Ein Drittel der chinesischen Auslandsinvestoren befindet sich in Lateinamerika. Russland seinerseits hat vor allem Interesse an Joint Ventures in der Gas- und Erdölförderung.

Davon abgesehen fehle aber noch viel für eine strategische Partnerschaft zwischen Lateinamerika und Ländern wie Russland und China. Spaniens Ex-Ministerpräsident Felipe Gonzalez gab unlängst bei einer Podiumsdiskussion zu bedenken, dass der US-Markt weiterhin mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt für Lateinamerika sei. Schon der große Einfluss der lateinamerikanischen Migranten schafft starke Bande zwischen den USA und dem Rest des Subkontinents.

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