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Politik: Lesen, Schreiben, Rechnen - Warum der bewegte Sozialdemokrat in den Aufsichtsrat der "Saarbrücker Zeitung" will

Saulus? Paulus?

Saulus? Paulus? Bock als Gärtner? Wer sich mit den verblüffenden Wendungen in Oskar Lafontaines Lebensweg beschäftigt, landet stets mit einer gewissen Sicherheit im Gestrüpp der schiefen Bilder und gewagten Metaphern. Sei konsequent oder inkonsequent, möchte man dem letzten der linken Staatsverwalter zurufen. Aber nicht immer dieses Hin und Her! Und dann macht er doch wieder, was er will.

Diesmal geht es um einen der 19 Sitze im Aufsichtsrat der "Saarbrücker Zeitung". Die sind breit gestreut: Zehn Aufsichtsräte etwa stellt die Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe, einen die Landesbank Saar, drei stellen die Mitarbeiter der Zeitung. Fünf Sitze gehören zum Eingemachten dreier parteinaher Stiftungen, deren Fördergesellschaft 26 Prozent der Anteile hält - und von diesen fünf wiederum zwei zur SPD-nahen "Stiftung Demokratie Saarland". Und eben jene Stiftung wird nun Oskar Lafontaine zur Wahl stellen, als Nachfolger des Nahverkehrs-Managers Norbert Walter. Eine sichere Sache, meint Stiftungs-Geschäftsführer Bernd Raulfs: Er könne sich nicht vorstellen, dass da irgendetwas dazwischen komme.

Nun ist das an sich nicht weiter aufregend: Ein Ex-Politiker zieht in ein Gremium ein, dem er bereits einmal angehört hat. Das war in den Siebzigern, als der Saarbrücker Oberbürgermeister Lafontaine gern auch bei jenen nach dem Rechten sah, die umgekehrt ihn zu kontrollieren suchten. Kein reines Vergnügen offenbar, denn 1981 warf er den Aufsichtsratsposten bei der Zeitung hin, weil ihm die "einseitig CDU-orientierten Strukturen" des Blattes nicht passten. Viel Wasser floss fortan unbeachtet die Saar hinunter, bis aus Lafontaine, dem aufrechten sozialdemokratischen Hoffnungsträger, ein schillernder Machtstratege wurde, der eine Zeit lang doppelte Pension bezog und als Hauptfigur der so genannten Rotlichtaffäre Schlagzeilen machte. Auf solche Sachen stürzen sich Journalisten gern, was die Objekte ihrer Recherchen, kein Wunder, verärgert. Lafontaine machte keine Ausnahme und prägte für die Enthüllungen flugs das griffige, wenn auch nur bedingt rechtsstaatskompatible Wort vom "Schweinejournalismus". Die Nerven!

Nun wäre die kleidsame Rolle der verfolgten Unschuld nicht weiter bedeutsam gewesen, hätte Lafontaine nicht auch das Sagen im Landesparlament gehabt - Rotkäppchen und Wolf in Personalunion. Also ging er daran, jenen Zustand herzustellen, den er als "Waffengleichheit" zwischen Medien und Betroffenen empfinden mochte: Im Geschwindmarsch änderte die SPD-Mehrheit im Landtag 1994 auf sein Betreiben das Saarländische Pressegesetz und drückte gegen die Bedenken zahlreicher Verfassungsrechtler eine Verschärfung des Gegendarstellungsrechts durch, etwa das Verbot des so genannten "Redaktionsschwanzes", mit dem sich Redaktionen gegen windige Gegendarstellungen wehren. Sogar mutmaßlich unvorteilhafte Fotos und Karikaturen sollten plötzlich gegendarstellungsfähig sein. "Saarländischer Maulkorb" war das knappe Urteil von Rudolf Bernhard, dem Chefredakteur der "Saarbrücker Zeitung", "der erste Schritt, um das Wächteramt der Presse gesetzlich einzuschränken."

Sogar der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende, Leiter der Medienkommission der Partei und heutige Verkehrsminister Reinhard Klimmt galt als Gegner der "Lex Lafontaine", verzichtete aber auf öffentlichen Widerstand. Oskars Wort wurde Gesetz, und auch die "Saarbrücker Zeitung" war nun gezwungen, unkommentiert eine Reihe von haarsträubenden Gegendarstellungen zu drucken: In einer behauptete ein prügelnder Vater, sein Sohn habe unvermutet in den Küchentisch gebissen und dabei zwei Zähne verloren. Eine der ersten Amtshandlungen der neuen CDU-Mehrheit unter Ministerpräsident Peter Müller 1999 bestand folglich darin, das Pressegesetz des Landes wieder in den alten Stand zu versetzen und die Spätwirkungen des Rachefeldzugs von Lafontaine damit endgültig aufzuheben. Selten dürfte eine CDU-Regierung bei einem Vorhaben die Presse so einhellig auf ihrer Seite gewusst haben.

Nicht, dass Oskar Lafontaine nicht lernfähig wäre, jedenfalls auf seine Weise. Zwar hat er nie widerrufen, aber beim Schreiben seines Buchs "Das Herz schlägt links" scheint ihm immerhin eine Phase innerer Einkehr unterlaufen zu sein. "Die ständige Medienpräsenz führt zu narzisstischen Verhaltensweisen", schreibt er nach seinem Austritt aus der Politik; narzisstische Menschen "neigen zu verführerischem und manipulativem Verhalten und streben nach Macht und Herrschaft". Eine Art Selbstporträt, wie es scheint.

Leider ist noch völlig unklar, mit welcher Absicht der geläuterte Narziss nun in den Aufsichtsrat der "Saarbrücker Zeitung" zurückkehrt; die Unkostenpauschale von jährlich 10 000 Mark wird kaum eine Rolle spielen. Möchte er Abbitte leisten für das Wort vom Schweinejournalismus? Oder im Gegenteil den Schweinen nun an Ort und Stelle manierliche Sitten beibiegen? Wird er die Freiheit von Wort und Bild verteidigen oder lieber den Opfern harter Recherchen ein Fels in der Brandung sein?

"Wenn wir wissen, wo wir herkommen, wissen wir auch, wohin wir gehen müssen", schreibt Lafontaine in seinem Buch; hoffen wir, dass das so ist. Es könnte freilich auch sein, dass ihm einfach ein wenig fad ist im bürgerlichen Leben mit Frau und Sohn und ein wenig Medienpräsenz gerade recht wäre. Die Leitlinie seines Handelns lautete dann etwa: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Damit ist schon Konrad Adenauer ziemlich gut über die Jahre und die Karriereknicks gekommen. Er wurde mit 73 Bundeskanzler. Dagegen ist Lafontaine noch ein frisches Nachwuchstalent.

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